Rezension

Fanatasievolle Liebesgeschichte mit ungewöhnlicher Heldin

Wings of Silence - Aubrey Cardigan

Wings of Silence
von Aubrey Cardigan

Bewertet mit 4 Sternen

Sie lebt seit einem schweren Unfall in der Dunkelheit, was für sie bereits ein schwerer Schlag ist. Nun soll sie ihre geliebten Großeltern verlassen, wogegen sie sich vehement stemmt.
Wäre da nicht dieser Junge, der endlich wieder Licht in ihr Dasein bringt.

 

Lia Raven hat ihren Vater bei einem Flugzeugabsturz verloren, den sie selbst nur knapp überlebt hat. Seit diesem Tag ist sie stumm und blind und wohnt bei den indianischen Eltern ihres Dads. Gerade als sie sich dort eingewöhnt hat und sich wohlfühlt, soll sie nach Wales ziehen und dort die Familie ihrer verstorbenen Mutter kennenlernen.
Zuerst kann sie sich nichts Schlimmeres vorstellen, als in einem fremden Land unter fremden Menschen noch einmal neu anzufangen. Doch dann begegnet sie Coel, der sie abholen soll und dessen Berührung ihr kurzzeitig ihr Augenlicht zurückbringt. Um seinetwillen will sie das Wagnis auf sich nehmen und ihm folgen.
Aber schon bald stellt sie sich die Frage, ob sie diese Entscheidung nicht bitter bereuen wird.

 

 

Ich muss gestehen, ich habe mich sofort in das wunderschöne Cover verliebt und wollte deshalb die Geschichte unbedingt lesen. Sie hat mich in vieler Hinsicht positiv überrascht, aber nicht in jeder.
Ein ganz kleines Bisschen lag das mit an den Figuren. Auf der einen Seite hat mir der Umstand sehr gut gefallen, dass die Titelheldin nicht perfekt oder mit besonderen Fähigkeiten ausgestattet ist. Außergewöhnlich ist sie auf andere Weise, denn sie hat schwere körperliche Einschränkungen davongetragen. Das macht sie, die sich kaum bis gar nicht verständigen kann, zu einer Person, aus deren Sicht ich die Geschehnisse gerne verfolgt habe, eben weil es mal nicht das Übliche war. Mit viel Ironie und einer Spur von Frustration und Verbitterung meistert sie ihren Alltag, selbst dann noch, als Coel ihr die Möglichkeit eröffnet, zu sehen und mit ihm zu kommunizieren. In der Hinsicht kann ich ihr Misstrauen ihren Mitmenschen, vor allem ihrer Großmutter mütterlicherseits gegenüber durchaus verstehen.
Auf der anderen Seite konnte ich einige ihrer Gedankengänge, Schlussfolgerungen und Gefühle nicht ganz nachvollziehen. Sie erschienen mir an manchen Stellen zu übertrieben, auch wenn sie sich später oft bewahrheiten.
Das restliche Ensemble passte gut zur Story und sorgte für genügend Abwechslung, allerdings hätte ich mir bei manchen von ihnen (Ida und Bran) mehr Informationen gewünscht. So wirken sie ein wenig zu blass, da sie nur aus Lias Perspektive charakterisiert werden.

 

Das was mir mit am meisten an dem Roman gefallen hat, war der Schreibstil: Sehr bildhaft, an vielen Stellen poetisch-nachdenklich und mit anschaulichen Formulierungen gespickt hat er mich gleich für sich eingenommen. Da die Hauptperson blind ist, findet man häufig Schilderungen, was sie hört und erspürt, was meiner Meinung nach toll umgesetzt war. Die Idee voller Magie dahinter, die ich an dieser Stelle nicht verraten möchte und die nur langsam enthüllt wird, ist ebenfalls ein Highlight der Autorin, und sorgt für die richtige Spannung, um sich von ihr mitreißen zu lassen. Über die weiteren Hintergründe würde ich unglaublich gerne mehr erfahren, weshalb ich unbedingt die Folgebände lesen werde.
Allerdings wurde mir der Hauptbestandteil der Ereignisse rasch zu viel: Die Liebesbeziehung zwischen Lia und Coel. Ja, ich weiß, er ist der erste, der sie aus ihrer ungewollten Isolation holt und in der Hinsicht ist ihre Sehnsucht nach ihm verständlich. Trotzdem geht es mir mit den beiden viel zu schnell, kaum kennen sie den Namen des jeweils anderen, lieben sie sich bereits. Das kam mir zu plötzlich, zu unbegründet, selbst wenn die zwei noch hormongesteuerte Teenager und ansonsten sehr einsam sind. Da hätte ich mir mehr Skepsis, Zweifel oder zumindest ein längeres Zögern gewünscht.

 

 

Wings of Silence ist ein interessanter und sehr lesenswerter Einstieg in Aubrey Cardigans Lia-&-Coel-Reihe. Dank einer besonderen Heldin, durch die man die Handlung mal aus einer ungewöhnlichen Sicht erlebt, einem wunderschönen bildhaften Schreibstil und einem magischen Plot, der Lust auf mehr Hintergründe macht, habe ich die Lektüre wirklich weitestgehend genossen.
Lediglich die überstürzt inszenierte Liebesgeschichte, die in meinen Augen nicht ganz realistisch wirkt, konnte mich nicht völlig überzeugen.
Wer ein Faible für überschwängliche Teenagergefühle hat, phantastische Storys mag, deren Zauber sich nur langsam enthüllt, und mal eine etwas andere Perspektive kennenlernen will, der sollte sich diese Serie etwas genauer anschauen.