Rezension

fantastische Lesestunden nach kurzer Eingewöhnungsphase

Luckiest Girl Alive - Jessica Knoll

Luckiest Girl Alive
von Jessica Knoll

Zitat:
„Entzücken erhellte mein Gesicht, und ich folgte dem Klang meines neuen Spitznamens, ganz der kleine Lemming, zu dem ich immer mehr wurde.“
(S.81)

Inhalt:
Eigentlich scheint die Welt für Ani vollkommen in Ordnung zu sein. Sie hat einen gut bezahlten Job bei einem angesagten Frauenmagazin, ihre Hochzeit mit Luke steht vor der Tür. Es könnte in Anis Leben nicht besser laufen. 

Doch die geplante Reportage über die Vergangenheit lässt alte Wunden wieder aufbrechen. Anis Erinnerungen an die Ereignisse drohen sie zu zerbrechen. Und damit gerät ihr so perfektes Leben völlig aus der Bahn.

Meinung:
Auf „Ich.Bin.So.Glücklich.“ wurde ich auf der Buchmesse in Frankfurt aufmerksam gemacht. Ganz sicher war ich mir nicht, ob die Geschichte etwas für mich sein sollte. Neugierig geworden wollte ich dem Buch aber dennoch eine Chance geben. Und so stürzte ich mich in die Geschichte.

Gleich traf ich auf Ani, erfolgreich im Job, ihre Lebensziele scheint sie erreicht zu haben. Ihr richtiger Name ist eigentlich TifAny. Weshalb sie ihren Namen angepasst hatte, erfuhr ich später. 
Anfangs hatte ich so meine kleinen Schwierigkeiten mit dieser neurotischen Sex-and-the-City angehauchten Welt. Ich wusste noch nicht so richtig, ob ich mich hier auf Dauer wohlfühlen könnte. Meine Neugier überwog jedoch und ich sollte es nicht bereuen.

Nachdem ich also anfangs von all dem Glamour und der Hektik im New Yorker Leben ein wenig überrannt wurde, konnte die Handlung dann doch eine immer größere Bindung für mich aufbauen. Ich spürte, dass Ani ein dunkles Geheimnis aus der Vergangenheit mit sich trug. Noch ahnte ich jedoch nicht, um was es sich dabei handeln könnte.

Neben der aktuellen Handlung waren immer wieder Rückblicke aus Anis Schulzeit an der Bradley Highschool enthalten. Vor der Bradley Highschool besuchte sie eine katholische Mädchenschule, musste diese aber aus bestimmten Gründen verlassen. Und tatsächlich lebt sie sich gut ein. Ani findet neue Freunde und wird sogar Teil der Clique der beliebtesten Schüler. Alles läuft perfekt. Bis zu diesem verhängnisvollen Abend, der Auswirkungen auf den Rest ihres Lebens haben sollte. 

Ich war ehrlich gesagt förmlich schockiert, als ich diese Stellen las. Nüchtern und ohne große Details beschreibt Jessica Knoll die Handlungen. Und das ist hier auch gar nicht nötig. Die Fantasie schließt hier die Lücken noch verstörender, als wenn ich die Einzelheiten tatsächlich gelesen hätte. Plötzlich hatte ich eine immense Wut im Bauch. Natürlich kann man immer wieder auf eine gewisse Naivität hinweisen, aufgrund derer die Ereignisse ihren Lauf genau so nahmen. Doch niemand kann sich das Recht herausnehmen, so zu handeln, wie es hier passiert ist. 
Im weiteren Verlauf erlebte ich Ani verletzlich, nichts deutet auf die erfolgreiche Geschäftsfrau hin, die ich immer wieder in der gegenwärtigen Handlung erlebte.

Doch auch in der Gegenwart beginnt Ani zu hadern und ihre Situation in Frage zu stellen. Die geplante TV-Dokumentation verstärkt ihre Zweifel. Sie beginnt, alles neu zu überdenken. Denn ein weiteres damaliges Erlebnis hat sie stark geprägt. Die Schatten ihrer Vergangenheit drohen sie zu überrollen und alles bisher Erreichte zunichte zu machen. 

Jessica Knoll hat einen wirklich faszinierenden Schreibstil. Die Autorin konnte mich, wenn auch nicht direkt von Beginn an, so doch mit jeder weiteren Seite mehr in ihre Geschichte ziehen. Ich erlebte sarkastische Anwandlungen bis hin zu melancholischen Zügen. Mein Gefühlskarussell drehte sich immer schneller und irgendwann war mein Lesefluss nicht mehr zu bremsen. Die anfängliche Unsicherheit zu meiner Kompatibilität mit dieser Geschichte war förmlich verflogen. Ani schildert die Handlung aus Ich-Perspektive, die Zeitformen waren den jeweiligen Gegebenheiten angepasst. Weiterhin setzt Jessica Knoll auf einen Stilmix, der mitunter auch auktoriale Ansätze aufweist. Im Großen und Ganzen setzt Jessica Knoll auf nüchterne Sachlichkeit, die der Atmosphäre in der Geschichte immer einen bedrückenden Unterton verleiht.

Hatte ich vorerst so einige Bedenken, was den Charakter der Protagonistin betrifft, wandelten sich diese mehr und mehr in Sympathie. Ich lernte Anis Handeln zu begreifen und zu verstehen. Dass mich die Geschichte tatsächlich so packen könnte, hatte ich nicht gedacht. Und doch kommt der noch größere Schock später. Anis Welt an der Bradley Highschool droht nun endgültig aus den Fugen zu geraten. Sie scheint die Kontrolle zu verlieren. Mit fortschreitender Geschichte gewinnt Anis Charakter immer mehr an Tiefe und ich begann fast, sie in ihrer Rationalität zu bewundern. 

Resümierend kann ich feststellen, dass Jessica Knoll eine gelungene Mischung aus Gegenwart und Vergangenheit ihrer Protagonistin Ani geschaffen hat, die mich nach kleiner holpriger Kennenlernzeit völlig in ihren Bann ziehen konnte. Die Rückblicke konnten mich dabei noch etwas mehr berühren, dennoch waren in beiden Perspektiven die roten Fäden, die zielstrebig aufeinander zulaufen, erkennbar. 

Mit dem Ende der Geschichte hatte ich gerechnet, insofern war ich nicht sonderlich überrascht. Und doch ist es passend, genauso wie es ist. Die Geschichte konnte mir insgesamt mehr Emotionen entlocken, als sich vermuten ließ. Ich kann sie auf jeden Fall weiterempfehlen!

Urteil:
„Ich. Bin. So. Glücklich.“ entfaltet erst nach einer Eingewöhnungsphase einen Lesesog, dem man sich nicht entziehen kann und der einen völlig vereinnahmt. Meine Lesestunden mit dieser Geschichte belohne ich deshalb mit sehr guten 4 Büchern.

Alle, die Recht von Unrecht unterscheiden können, dabei Rückschläge für die Charaktere verkraften können und dennoch klare Ziele vor Augen haben sind mit „Ich. Bin. So. Glücklich.“ wirklich gut beraten.

©hisandherbooks.de