Rezension

Fantasy meets Krimi

Vollstrecker der Königin - Der Baeldin-Mord
von Angelika Diem

Als ich die letzte Seite dieses Buchs gelesen hatte - mit einem Gefühl bibliophilen Glücks! -, kam mir beinahe unglaublich vor, dass es tatsächlich nur 117 Seiten hat. Nicht, weil es sich gezogen hätte, das überhaupt nicht! Ich hatte es sehr schnell durch. Aber es passiert wahnsinnig viel auf diesen 117 Seiten, und die Autorin schafft es, dem Leser eine ganz eigene, komplexe, glaubhafte Welt nahezubringen. Da ist einfach alles stimmig: die Gesellschaft, das politische System, die verschiedenen Völker, die Magie...

Interessant fand ich, dass Magie nichts Seltenes ist. Viele Menschen haben eine Form der Magie, die sich Charisma nennt: im Prinzip die Fähigkeit, andere Menschen dem eigenen Willen zu unterwerfen. Die Adligen betreiben seit jeher beinahe eine Art Zuchtprogramm, um möglichst Charisma-starken Nachwuchs zu zeugen, und die Kinder werden schon früh darauf gedrillt, ihr Charisma möglichst effektiv einzusetzen. Da haben die meisten Bürgerlichen einfach keine Chance - es ist erschreckenderweise völlig normal, Bedienstete mal eben so zu etwas zu zwingen, und es scheint auch keine Gesetze dagegen zu geben.

Es gibt auch andere Arten der Magie, und verschiedene Posten wie "Hüter-des-Geheimwissens", "Vermittler-derAllmächtigen", oder "Fackel des Grauen Turms". Auch den Beruf des Vollstreckers fand ich unglaublich faszinierend. Wenn ein Gewaltverbrechen geschieht, wird der Täter nicht einfach ins Gefängnis geworfen, sondern er wird gezwungen, den Schmerz des Opfers am eigenen Leib zu erfahren. Wie das funktioniert - das müsst ihr schon selber lesen! Es gibt noch viel mehr, was ich euch über diese Welt erzählen könnte, aber ich möchte ja noch nicht alles verraten.

Im Prinzip ist "Der Baeldin-Mord" eine Mischung aus klassischer Fantasy (mit einigen originellen, neuen Ideen) und klassischem Krimi. Caitlynn ermittelt, indem sie sich den Tatort und die Leiche anschaut, Zeugen befragt und was mal als Ermittler eben so tut... Ich fand das alles sehr spannend und hatte, wie gesagt, das Buch in Nullkommanix durch.

Die Protagonistin Caitlynn hat mich voll und ganz überzeugt. Sie ist eine starke Frau mit starken Überzeugungen, und ich habe mich öfter beim Gedanken ertappt, dass sie sich in der Welt der Bücher von Tamora Pierce heimisch fühlen würde - und das ist ein Kompliment, denn auch Tamora Pierce schreibt großartige weibliche Charaktere! Caitlynn ist nicht perfekt, aber gerade das machte sie mir sehr sympathisch, und sie hinterfragt den Status Quo - zum Beispiel verabscheut sie die Praktik des Adels, ihre Bediensteten wie Marionetten zu steuern.

Der Schreibstil gefiel mir fantastisch: er ist wunderbar detail- und bildreich, und dabei nicht überfrachtet oder schwer zu lesen. Der ein oder andere Fehler hat sich eingeschlichen: fehlende Wörter, doppelte Wörter, Sätze wie: "Lange stand sie vor das Fenster..." Aber es ist noch im Rahmen, wo es mich nicht sehr gestört hat.

Fazit:
Für mich war dieser Fantasy-Krimi ein unerwartetes Kleinod! Man sollte sich von der Kürze des Buches nicht abschrecken lassen, denn zum einen vermittelt die Autorin dennoch mühelos eine komplexe, originelle Welt, und zum anderen ist auch der Preis mehr als angemessen: €0,99 für das eBook und €4,90 für das Taschenbuch.