Rezension

Fesselnd bis zur letzten Zeile

In den letzten Stunden der Dunkelheit -

In den letzten Stunden der Dunkelheit
von Peter Klisa

Bewertet mit 5 Sternen

„...Es hat immer schon Krieg gegeben, und es wird ihn immer geben. Es liegt in der Natur des Menschen, eigene Interessen mit Gewalt durchzusetzen, einander zu übervorteilen, zu vertreiben und zu unterdrücken...“

 

Diese Worte eines amerikanischen Offiziers im April 1945 deuten darauf hin, wie die Entwicklung weitergehen wird. Schon bald werden aus Partnern Feinde. Doch nun kommt es erst einmal darauf an, den Krieg zu gewinnen und die eigene Position zu stärken.

Der Autor hat einen fesselnden historischen Thriller geschrieben. Die Geschichte hat mich schnell in ihren Bann gezogen. Dafür hat auch der Schriftstil gesorgt, der zum einen für den hohen Spannungsbogen verantwortlich ist, zum anderen aber auch die gesellschaftlichen Ereignisse gekonnt auf den Punkt bringt.

Captain Frederic Carvis ist Dolmetscher der US – Armee. Plötzlich erhält er einen ungewöhnlichen Einsatzbefehl. Er soll nach Berlin fliegen und den Physiker Paul Bergmann eine Ausreise nach Amerika ermöglichen.

 

„...Alsos (Anmerkung: eine amerikanische Geheimdienstoperation) sammelt keine Informationen mehr, sondern die Köpfe des deutschen Atomprogramms. Kernphysiker, Chemiker, Bombenexperten. Und wir müssen uns beeilen, damit die Russen uns nicht zuvorkommen...“

 

Carvis aber will nicht nach Berlin, denn es ist momentan der gefährlichste Ort in Deutschland. Doch dann sagt er aus persönlichen Gründen zu. Carvis kennt Bergmann und dessen Familie. Er hat 1936 in Berlin Physik studiert. Dabei hat er damals viele namhafte Physiker kennengelernt. Ab und an gibt es Rückblenden in die Jahre 1936 und 1937. In letzteren Jahr musste Carvis Deutschland verlassen.

Das Unternehmen von Alsos ist minutiös geplant. Aber Planung und Realität sind zwei Seiten einer Medaille. In Berlin hofft das letzte Aufgebot auf den Sieg. Außerdem sind die Russen auf den Spuren von Bergmann.

Major Walter Heinrich ist als Aufpasser für Paul Bergmann abkommandiert. Seine Einschätzung des Wissenschaftlers bestätigt sich an vielen Stellen des Buches.

 

„...Aufgeblasener Wichtigtuer, dachte Heinrich. Unsere Welt stürzt in Trümmer, und er sorgt sich um Pünktlichkeit...“

 

Nicht nur die Beschreibung der Kämpfe in Berlin zeugen von der umfangreichen Recherche des Autors. Mir gefällt, dass viele der Protagonisten vielschichtig dargestellt werden. Oft sind es Kleinigkeiten, die dafür sorgen, ob Menschlichkeit siegt. Genau diese kurzen Episoden sind es, die der Geschichte eine besondere Authentizität geben. Meist sind es fein ausgearbeitete Gespräche, die die Situation auf den Punkt bringen.

 

„...“Du bist zu weich, Kolja“, sagte Patzejew. „Hatten die Faschisten Mitleid, als sie unsere Heimat überfielen? Unser Volk ermordeten?“ „ Dieses Mädchen wird wohl kaum dabei gewesen sein. Stell dir vor, es wäre deine Tochter.“ „Meine Töchter sind tot. „ „Ich weiß.“...“

 

Für Carvis und seine Leute geht es in Berlin um Leben und Tod. Im Prinzip kann jede Begegnung die letzte sein. Der Kontakt zur Basis ist abgebrochen und Bergmann ist nicht leicht zu händeln. In einem Punkt allerdings sieht er die Zukunft voraus. Als Carvis ihn auf die Gefahren der Bombe aufmerksam macht, entgegnet er:

 

„...Jetzt werden Sie mal nicht moralisch, Carvis. Sie haben Skrupel, aber damit sind sie alleine. Oder glauben Sie, dass ihre amerikanischen Landsleute, die in diesem Augenblick die gleiche Militärforschung betreiben, irgendwelche Hemmungen haben, eine Atombombe einzusetzen?...“

 

Im Anhang gibt der Autor noch eine Menge an Hintergrundinformationen. Das rundet die Geschichte ab.

Mir hat das Buch ausgezeichnet gefallen. Es zeigt die ganze Unmenschlichkeit eines Krieges und ein Stück Geschichte, die selten thematisiert wurde.