Rezension

Fesselnd mit überraschenden Wendungen

Die Flucht der blauen Pferde
von Sabine Schulze Gronover

Bewertet mit 5 Sternen

Wenig befeuert die Fantasie von Krimiautoren mehr, als Kunstraub und Raubkunst. Auch in diesem Buch ist ein Bild, nämlich Franz Marcs „Der Turm der blauen Pferde“ zentrales Thema. Das Werk, das lange in Hermann Görings Besitz war und damals als „entartete Kunst“ galt, ist seit Kriegsende verschollen. Deshalb ranken sich immer wieder Krimis rund um dieses Bild.

 

Konstantin Neumann, ein Ex-Häftling auf Bewährung, stolpert kurz nach dem er in seine neue Wohnung einzogen ist, über eine weibliche Leiche. Aufgrund seiner Vorgeschichte (er wurde wegen Totschlags verurteilt) ist er natürlich sofort im Fokus der ermittelnden Beamtin, KHK Finke.

 

Seine Neugierde und auch sein Bestreben seine Unschuld zu beweisen, lassen ihn zum Ermittler wider Willen werden. Er entdeckt eigenartig anmutenden Abhängigkeiten und Zusammenhänge zwischen den Hausbewohnern. Wieso ist sein Vorgänger als Mieter verschwunden? Was haben die Fotos von Raubkunst zu bedeuten? Was spielt Antonius Adler, einer der Hauseigentümer für eine Rolle?

 

Unversehens ist er mitten in einem komplexen Kriminalfall, der ihn zu einer zweiten Tote und völlig falschen Annahmen führt.

 

Meine Meinung:

 

Mir hat dieser Krimi sehr gut gefallen. Zu Beginn wird der Leser gemeinsam mit Konstantin Neumann in eine eigenartige Hausgemeinschaft gestoßen. Die Stimmung ist seltsam. Die Bewohner scheinen alle über genügen Geld zu verfügen, aber so richtig zur Arbeit geht keiner. Die Damen machen ihm, ob alleinstehend oder nicht, mehr oder weniger verstohlen Avancen. Der alte, an den Rollstuhl angewiesene Antonius Adler, in dessen Wohnung zahlreiche Bilder hänger, weckt Neumanns Neugier, obwohl er schroff und unnahbar wirkt.

 

„Sie geraten als neuer Bewohner dieses Hauses ja in ganz schön turbulente Situationen. Sie haben zwei Leichen gefunden, wurden von einer Kugel gestreift und spüren vermeintliche Einbrecher auf.“ Soweit das Resümee das alten Herren (S. 209).

 

Der Autorin ist es sehr gut gelungen, die Leser auf falsche Fährten zu locken. Besonders die Erwähnung, dass Adler sich eine Tätowierung hat entfernen lassen, lässt bei Neumann nur einen Schluss zu: Der Greis muss ein Altnazi sein.

 

Die Auflösung des komplexen Kriminalfalles hält einige Überraschungen bereit. Dabei wird alles schlüssig erklärt. Das einzige was nach wie vor offen bleibt, ist der Verbleib des Bildes.

 

Der Schreibstil ist fesselnd und die Charaktere sind gut angelegt. Sie haben alle möglichen Ecken und Kanten. Er bei näherer Betrachtung ist zu sehen, dass es nicht nur schwarz und weiß, sondern auch jede Menge Zwischentöne gibt.

 

Geschickt ist auch der Einblick in die Geschichte der Raubkunst eingeflochten. Neumann, der anfangs wenig darüber weiß, erfährt von einem ehemaligen Mitgefangenen, dem Kunsthändler Brenner, der vorzeitig entlassen worden ist, einiges über Kunst, Raubkunst und Fälschungen. Diese Informationen werden dem Leser nebenbei und sehr subtil dargeboten. Wer sich bis jetzt mit diesem Thema noch nicht beschäftigt hat, wird einiges darüber erfahren.

 

Die Autorin verbindet Fakten gekonnt mit Fiktion. So stimmt die Geschichte rund um Franz Marcs Bild „Der Turm der blauen Pferde“, das seit 1945 als verschollen gilt. Es soll das letzte Mal im "Haus Waldsee" gesehen worden und von dort verschwunden sein. Auch die Geschichte des Fälschers Wolfgang Beltracchi ist ebenso wahr wie die des als „Schwabinger Kunstfund“ bekannte Sammlung von Cornelius Gurlitt.

 

Fazit:

 

Kunstraub durch Nazis, ein verschollenes Gemälde und ein Ex-Häftling auf Bewährung, der über Leichen stolpert und eine ungezügelte Neugier auf seine Nachbarn hat, sind die Zutaten für einen raffinierten, überzeugenden und spannenden Kriminalroman.