Rezension

Fesselnd und faszinierend

Der Finder - Michael Schreckenberg

Der Finder
von Michael Schreckenberg

Bewertet mit 5 Sternen

Der Finder, von dem im Klappentext gesprochen wird, heißt Daniel. Er ist es, den wir auf 321 Seiten durch ein düsteres Endzeitszenario begleiten. 
Einen Tag nach einer Party (10 Jahre Abi), auf der Daniel seine Traumfrau Esther kennenlernt, sind plötzlich fast alle Menschen von der Erde verschwunden. Es gibt keine Toten, keine Hinweise – nichts. Alles was bleibt, sind eine fast leere Welt und eine Menge Fragen. Gemeinsam mit einigen anderen Überlebenden, machen sich die beiden auf den Weg in eine ungewisse Zukunft. Ein Neuanfang ist der Plan. Mit Problemen wird zwar gerechnet, aber nicht mit der Art Problem, die man sonst nur aus Horrorgeschichten kennt.

Normalerweise gehe ich so gut wie nie auf die Covergestaltung ein. In diesem Fall möchte ich jedoch dieses Thema als Einleitung für die Buchbesprechung nutzen. Ehrlich gesagt, hätte das Cover allein mich im Buchladen nicht zum Kauf des Buches verleitet. Es macht einen mittelalterlichen Eindruck und täuscht ein wenig über die Tatsache hinweg, dass “Der Finder” in der Gegenwart seinen Ursprung hat. Nachdem ich das Buch dann aber gelesen hatte, fand ich das Cover plötzlich wieder passend, weil es zeigt, worum es letztlich geht: Die Überlebenden müssen sozusagen “back to the roots” – alles auf Anfang. In einer Welt ohne Strom, Telefon, Fernsehen und Internet sind mitunter mittelalterliche Maßnahmen nötig, um das Überleben zu sichern. Für einen Spontankauf wäre mir das Cover allerdings nicht auffällig genug.

Damit hätte ich im Prinzip meinen einzigen Kritikpunkt abgehakt, denn als ich begann, den Prolog zu lesen, stolperte ich sogleich über einen Liedtext von Nick Cave, den ich in meiner Jugend auch gerne gehört habe. Sehr sympathisch, dachte ich und fand die Auswahl dann auch absolut passend für die folgenden Seiten.
Als ungewöhnlich und sehr beklemmend empfand ich die Wahl des Schauplatzes. Ich lebe selber im Ruhrgebiet, kenne viele der genannten Orte und Autobahnen (ja, auch die B8) und hatte Steine im Magen bei dem Gedanken, dass diese mir wohlbekannten Orte als verlassen und leer beschrieben waren. Das war schon sehr unheimlich. 

Michael Schreckenberg hat den Protagonisten aus der Ich-Perspektive zum Leser sprechen lassen. Alle Eindrücke und Beschreibungen kommen aus erster Hand und unterstreichen gekonnt die hoffnungslose und traurige Stimmung, die sich wie ein schweres Gewicht auf das eigene Empfinden legt.
Der Autor nimmt sich viel Zeit für diese Stimmung, und das sorgt für einen langsamen aber konstanten Spannungsaufbau.

Die Charaktere sind eigentlich nur grob umrissen, werden nicht bis ins kleinste Detail beschrieben. Komischerweise habe ich das aber auch keine Sekunde lang vermisst. Ich hatte dadurch die Chance, mir jede einzelne Figur individuell auf mein Vorstellungsvermögen zuzuschneiden. Ich hatte meine eigenen Bilder für die Personen und war nicht gezwungen, Beschreibungen abzuspeichern, die mir nicht zusagen. Da man im Laufe der Story insgesamt auf eine Vielzahl an Menschen trifft, ist diese Methode für mich auch die ansprechendste.
Die Story braucht ein bisschen Zeit, um in Fahrt zu kommen, ist aber dabei so packend geschrieben, dass man das Buch eigentlich keine Minute lang aus der Hand legen möchte. Nach ca. einem Drittel der Geschichte war ich nur noch zappelig und ungeduldig – hatte jede Menge Fragen und fieberte gebannt der Auflösung entgegen.
Michael Schreckenberg hält den Leser raffiniert an der kurzen Leine, spendiert ab und zu  kleine Häppchen, die die Story voran treiben aber nichts preisgeben. So wechseln sich actionreiche Passagen mit Momenten der Reflexion ab und liefern genau den richtigen Mix, der einem das Aufhören fast unmöglich macht. 
“Der Finder” enthält auch einige gesellschafts- und sozialkritische Aspekte, die einen selbst nach dem Lesen noch ein Weilchen beschäftigen. 
Das Ende der Geschichte war in meinen Augen einfach nur total abgefahren, unerwartet und wirklich kreativ – der Hammer! Alle Fragen werden beantwortet – neue Fragen tun sich auf. Das hat zur Folge, dass ich ganz klar nach einer Fortsetzung verlange, denn ich mag mich noch nicht von Daniel und seinen Freunden trennen.
Das darf jetzt nicht das Ende sein. Ich will mehr! 

“Der Finder” hat mich noch den ganzen Abend beschäftigt. So liebe ich es – so muss es auch sein.

Fazit:
“Der Finder” ist ein bisschen wie eine Treibsandfalle. Sieht unscheinbar aus, lässt einen aber nicht mehr los, wenn man einmal darin fest steckt. Und dann wird man hineingesogen, langsam aber endgültig. Ein wirklich gut gelungener Endzeitthriller, dem ich guten Gewissens eine Kaufempfehlung mit auf den Weg gebe.