Rezension

Fesselnder historischer Roman

Die Postmeisterin - Helga Glaesener

Die Postmeisterin
von Helga Glaesener

Bewertet mit 5 Sternen

„...Es geht gar nicht um Christ oder Jude, dachte er. Es geht um die Macht. Die Verführung der Macht ist es, die die Menschen auf des Teufels Seite zieht...“

 

Wir schreiben das Jahr 1597. Aliz d`Antigny arbeitet als Kammerfrau bei Herzogin Jakobe. Nachdem der wütende Herzog, der an Wahnvorstellungen leidet, beruht und zu Bett gebracht wurde, soll Aliz mit dem dreijährigen Knaben zur Herzogin kommen. Sie trifft auf den toten Kammerdiener und hört zwei Personen im Raume der Herzogin davon sprechen, das das Werk vollbracht ist.

Mittlerweile sind 15 Jahre vergangen. In Wöllstein betreibt Aliz eine Herberge. Ihr Mann ist tot. Nun hat sie die alleinige Verantwortung für ihre drei Kinder. Moritz, der Älteste, unterstützt sie bei ihren Nebenverdienst. Sie hat eine illegale Poststrecke organisiert.

Die Autorin hat einen spannenden und abwechslungsreichen historischen Roman geschrieben. Das Buch lässt sich flott lesen und hat mich schnell in seinen Bann gezogen.

Im Mittelpunkt steht Aliz. Sie hat sich ein neues Leben aufgebaut und muss sich nur mit ihrer missgünstigen Schwägerin Josefa auseinandersetzen. Dann aber kommen die Schatten der Vergangenheit zurück. Nach dem Tode des Herzogs von Jülich gibt es Streit um das Erbe. Plötzlich interessieren sich mehrere Personen für die Kinder von Aliz. Zwar gibt es nur eine einzige Person, die weiß, wo Aliz lebt, aber das ist eben eine zu viel. Daneben erfahre ich im Roman einiges über das Postmonopol der damaligen Zeit. Das besaßen die Fürsten von Thurn und Taxis. Doch der Transport von Briefen war lukrativ. Das nutzten geheime Postreiter. Einer von ihnen war Moritz, Aliz` ältester Sohn. Hinzu kam, dass diese Art des Posttransport auch zum Versenden von Nachrichten genutzt wurde.

Den finsteren Part im Buch hat Sybille, die Schwägerin der Herzogin Jakobe. Sie geht im wörtlichen Sinn über Leichen, um ihr Ziele zu erreichen. Sie kennt weder Skrupel, noch Menschlichkeit.

Der Schriftstil des Buches ist angenehm lesbar. Spannende Szenen wechseln mit ruhigen Episoden. Nach und nach werden unterschiedliche Geschehnisse der Vergangenheit aufgedeckt. Gut herausgearbeitete Dialoge bringen nicht nur die Handlung voran, sondern geben auch Einblicke in die Gedankenwelt der Protagonisten. Interessant fand ich dabei die für mich als Leser zu beobachtende Veränderung im Verhalten zwischen Aliz und von Anderrath. Die wurden nämlich zuerst in den Gesprächen der beiden deutlich. Sehr fesselnd sind die Szenen, wo Aliz wie eine Löwin um ihre Kinder kämpft. Dort zeigt sich ihre schnelle Auffassungsgabe, ihre schauspielerischen Fähigkeiten, ihre Anpassungsfähigkeit und ihr Mut, ungewöhnliche Wege zu gehen. Die persönlichen Lebensgeschichten werden geschickt eingebunden in die historischen Gegebenheiten. So arbeitet Moritz als Geselle eines Lebkuchenbäckers in Frankfurt. Der aber ist mit den politischen Verhältnissen nicht zufrieden. Er ist der Führer der Zunftmeister, die mehr Rechte für die Handwerker fordern. Moritz muss sich entscheiden, auf welcher Seite er steht, zumal er in die Tochter seines Meisters verliebt ist. Die Unzufriedenheit der Zünfte geht einher mit zunehmenden Judenhass. Obiges Zitat stammt von Moritz. Für sein Alter hat er damit schon viel begriffen. Dazu tragen auch die Gespräche mit dem jüdischen Jungen Rafael bei, der auf der Straß lebt und interessiert daran ist, als Postreiter eingestellt zu werden. Die Handlungsorte werden ausführlich und mit passenden Metaphern beschrieben.

Im Epilog trennt die Autorin Fakten und Fiktion.

Schön finde ich den Blick auf Frankfurt auf den beiden Innenseiten.

Das Cover mit der Stadtansicht und der jungen Frau vor der Herberge passt sehr gut zum Thema.

Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Es hat mich nicht nur gut unterhalten, sondern mir einen interessanten Einblick in eine historische Epoche gegeben.