Rezension

Flüchtlingsdrama - Aktuell, realitätsnah aber emotionslos

Exit Sugartown - Martin Petersen

Exit Sugartown
von Martin Petersen

Bewertet mit 3 Sternen

Eine Geschichte, wie sie jeden Tag auf der ganzen Welt geschieht: Die 17-jährige Dawn wächst mit ihren Eltern und ihrem jüngeren Bruder Charlie in Sugartown auf. Ihr Vater findet immer seltener Arbeit, kommt dafür immer öfter betrunken nach Hause. Ihre Mutter näht zum minimalen Lohn. Als Dawn 16 ist, stirbt ihre Mutter. Doch schliesslich muss auch ihr kleiner Bruder den Schulbesuch gegen die Arbeit in einer Ziegelei intauschen. Da lernt sie zwei junge Männer kennen, die von den guten Verdienstchancen der "Weissen Welt" erzählen. Dawn trifft einen schicksalsschweren Entschluss. Um ihrer Familie, allen voran Charlie, zu helfen, lässt sie sich auf eine Schlepperbande ein: der Anfang einer gnadenlosen Flucht.

Meine Meinung: 
Ich durfte das Buch aufgrund einer Leserunde lesen und bedanke mich herzlich dafür. 

Ich bin auch bei dieser Geschichte zwiegespalten (irgendwie sage ich das momentan in fast jeder Rezi, aber irgendwie lese ich momentan nur Bücher, die mich zwiegespalten zurück lassen :D). 
Die Thematik - die Flucht von Dawn mit dem Ziel ein besseres Leben für sich und ihre Familie zu ermöglichen - ist ziemlich aktuell und geht uns alle etwas an. Und in dieser Thematik liegt auch die große Stärke des Buches, denn die Geschichte von Dawn ist brisant, grausam und meiner Meinung nach realitätsnah beschrieben (auch wenn ich nicht genau beurteilen kann, wie nah das Ganze wirklich an der Realität ist, aber es wirkt auf mich zumindest ziemlich realistisch). 
Wir gehen mit Dawn auf die Reise und erleben wenige glückliche Momente, aber insbesondere viele verzweifelte Momente. Und da kommt meiner Meinung nach die Schwachstelle in der Geschichte zu Tage. Denn die Verzweiflung kommt einfach nicht beim Leser an. Die Geschichte ist aus Dawns Sicht erzählt und dennoch extrem neutral und emotionslos als würde ein Journalist die Geschichte nacherzählen. Dawn selbst erzählt aber ihre Geschichte und man hat das Gefühl, dass sie völlig abgestumpft und kalt geworden ist. Ich weiß nicht, vielleicht ist das auch realitätsnah, aber ich finde als Leser möchte man das auf diese Weise nicht lesen. Man möchte mitfühlen, mit leiden, mit erleben. Und das geht aufgrund der starken Neutralität meiner Meinung nach nicht, weil alle Charaktere sehr fern bleiben. Ich konnte beispielsweise nicht eine Freundschaft oder Beziehung von Dawn wirklich nachempfinden. Leider kommt nicht mal die Liebe zu ihrem Bruder bei mir an. Man hat immer das Gefühl, dass für Dawn alle Personen nur Mittel zum Zweck sind. Das ist extrem schade, weil ich denke, dass auf diese Weise extrem viel Potential verloren geht, weil die Geschichte ansonsten wirklich gut ist. 
Stellenweise halte ich Dawn auch für sehr naiv, weil sie Jobs annimmt, die sie und ihre Mitmenschen in Gefahr bringen. Als Leser bekommt man das Gefühl, dass sie finanziell irgendwie nicht genug kriegen kann, obwohl sie mit dem zufrieden sein sollte, was sie bekommt. Natürlich hätte die Geschichte dann nicht funktioniert, aber meiner Meinung nach handelt sie oft einfach nicht rational und nachvollziehbar. 

Fazit: 
Insgesamt eine gute Geschichte, die ein aktuelles Thema brutal und grausam behandelt. Die Stärke des Buches ist definitiv die realitätsnahe und grausame Reise von Dawn in ein vermeintlich besseres Leben. Die Schwachstellen des Buches liegen insbesondere in der fehlenden Emotionalität und der fehlenden Bindung zu den Charakteren. An dieser Stelle geht definitiv viel Potential verloren. Dennoch sollte man dem Buch eine Chance geben. 3 Sterne!