Rezension

Hochaktuelles Thema, dass zum Nach- und Umdenken anregt

Exit Sugartown - Martin Petersen

Exit Sugartown
von Martin Petersen

Bewertet mit 4 Sternen

Eine Geschichte, wie sie jeden Tag auf der ganzen Welt geschieht: Die 17-jährige Dawn wächst mit ihren Eltern und ihrem jüngeren Bruder Charlie in Sugartown auf. Ihr Vater findet immer seltener Arbeit, kommt dafür immer öfter betrunken nach Hause. Ihre Mutter näht zum minimalen Lohn. Als Dawn 16 ist, stirbt ihre Mutter. Doch schließlich muss auch ihr kleiner Bruder den Schulbesuch gegen die Arbeit in einer Ziegelei eintauschen. Da lernt sie zwei junge Männer kennen, die von den guten Verdienstchancen der "Weißen Welt" erzählen. Dawn trifft einen schicksalsschweren Entschluss. Um ihrer Familie, allen voran Charlie, zu helfen, lässt sie sich auf eine Schlepperbande ein: der Anfang einer gnadenlosen Flucht. (Quelle: Amazon.de)

Die Geschichte wird aus Dawns Sicht erzählt und weist dabei genauso wie Dawn eine nüchterne, aber dennoch sich flüssig lesende Schreibweise auf. Man fliegt förmlich durch die Geschichte. Der Autor verzichtet hier gänzlich auf irgendeine Form von Poetik. Angesichts der doch schweren und vor allem hochaktuellen Thematik wäre jegliche Form von Romantisierung und gar Schwaffelei auch keinster Weise angebracht.

Dawn ist der Mittelpunkt der Geschichte. Ihre oft sehr nüchterne Art die Dinge zu betrachten und die Reaktionen auf einschneidende Erlebnisse lassen oft den Eindruck von Emotionslosigkeit entstehen. Wie es in sehr vielen Romane mit Ich-Erzähler üblich ist, erhält der Leser wenig bis keinen Einblick ins Dawns Gedankenwelt, sondern eine reine Erzählung und Beschreibung von Geschehnissen. Auch wenn dieser Einblick fehlt, habe ich beim Lesen nicht das Gefühl gehabt, dass Dawn keine Gefühle hat, sondern eher dass sie damit anders umgeht. In ihrer Lage sowie in dem Land, aus dem sie stammt und aus dem sie flieht herrschen Umstände, die für einen „weißen“ Leser in der Regel nur sehr schwer nachvollziehbar sind. Der tägliche Kampf zu Überleben und sich nach dem Tod um die Versorgung der Familie zu kümmern, lässt für mich keinen Platz für Sentimentalität, Selbstreflexion und dem um sich selbst Gedanken machen, ob dies oder jene Entscheidung oder Tat richtig oder falsch war. Auch nach der Flucht aus ihrer Heimat meiner Meinung nach wenig Platz. In meinen Augen ist Dawn sehr stark, mutig und versucht sich nicht unterkriegen zu lassen. Außerdem zeichnet sie sich durch eine außerordentliche Willenskraft aus und zeigt auch ihre Grenzen genau auf, auch wenn sie das erneut in Schwierigkeiten bringt. Die Entscheidungen, die sie im Laufe der Handlung trifft sind allerdings nicht immer ganz durchdacht und bringen sie das eine oder andere Mal in Schwierigkeiten, sicher auch in Ermangelung besseren Wissens, schließlich ist sie erst 17 Jahre alt. Doch tut sie dies immer in der Absicht, dass vor allem ihr kleiner Bruder versorgt ist. Natürlich kommen auch andere Charaktere vor, dennoch bleiben diese relativ blass, was ein wenig schade ist.

Martin Petersen präsentiert uns hier einen Roman, der ein hochaktuelles Thema völlig schnörkellos und ohne jegliche Beschönigung darstellt, welches auch so in der Realität denkbar wäre. Gerade diese Art und Weise der Erzählung schockiert einerseits und rüttelt hoffentlich auch wach für die Geschehnisse in unserem Umfeld, die nicht weit weg passieren, sondern häufig direkt in unserer direkten Nachbarschaft. Ein wirklich empfehlenswertes Buch, welches jeder, der sich für die Problematik der Flüchtlinge interessiert (und auch alle anderen), gelesen haben sollte. Man sollte sich allerdings bewusst sein, dass man die Welt danach vielleicht etwas anders sieht und auch ein schaler Nachgeschmack ist durchaus dabei.