Rezension

Frieden und Macht

Augustus - John Williams

Augustus
von John Williams

Bewertet mit 4 Sternen

Octavius ist neunzehn, sensibel, wissbegierig, und er will Schriftsteller und Gelehrter werden. Doch als Großneffe und Adoptivsohn Julius Cäsars fällt ihm nach dessen Ermordung ein gewaltiges politisches Erbe zu: Ihm, der von schwächlicher Konstitution aber enormer Willenskraft ist, wird es durch Glück, List, Intelligenz und Entschlossenheit gelingen, das riesige Römische Reich in eine Epoche des Wohlstands und Friedens zu führen. (dtv-Verlagsseite)

Wie ein Puzzle setzt Williams das Bild des Augustus zusammen: Weggefährten (fiktive und historische) und Familienangehörige, Historiker und Dichter, Freunde und Feinde schreiben einander Briefe über das, was gerade in Rom geschieht, was der Herrscher unternimmt und wie seine derzeitige private und politische Situation aussieht. Für den Leser ergibt sich das Bild eines Mannes, der den Spagat bewältigte, seine Machtbesessenheit und das Wohl des Staates zu vereinen.
Erst am Ende lässt Williams Augustus selbst zu Wort kommen, und das Bild vervollständigt sich.

Nicht jedes Detail lässt sich genauestens historisch belegen, aber der Autor biegt die Historie auch nicht so um, dass sie in sein Konzept passen würde. Eine gewaltige Recherche, die Williams für sein Buch auf sich nahm.

Verglichen mit seinen beiden zuerst in deutscher Übersetzung erschienen Büchern „Stormer“ und „Butcher’s Crossing“ lebt dieser Roman von tatsächlichen Geschehnissen um das Jahr 0; der Aufbau ist völlig anders, die Hauptfigur ein mächtiger Staatsmann statt einfacher Männer, und das Handeln dieser Figur wird (zunächst) nicht vom Innen-, sondern vom Außenstandpunkt her betrachtet. Dennoch beweist Mendelsohn im Nachwort, wie viele Ähnlichkeiten Williams’ Augustus mit seinen beiden anderen Protagonisten hat.

Was die Sprache betrifft: Hervorragend haben Williams (und der deutsche Übersetzer Bernhard Robben) die lateinische Sprache imitiert, was sich vor allem in der Satzstellung ausdrückt. Die Sätze klingen größtenteils wie wörtliche Übersetzungen lateinischer Texte: Floskelhaft höflich, auch in Emotionen distanziert und mit besonderem Blick auf die Nebensätze.

Was leider das Bild trübt: In den Briefen des Maecenas an Titus Livius redet dieser den Freund mit „Livy“ an. Das Lateinische kennt den Buchstaben Y nicht. Diesen Fehler muss man dem Autor selbst anlasten, weil er auch im Original zu finden ist.
Für die Region unter römischer Herrschaft wird im Buch das Wort „Italien“ verwendet. Tatsächlich hieß das Gebiet zu dieser Zeit „Itala“ oder „Latium“ (daher „Latein“ als Sprache der Latiner), dessen Grenzen enger waren als die des heutigen Latiums.
Die Bewohner waren keinesfalls „Italiener“, sondern Italer oder Italiker.
Hier hätte der Übersetzer meiner Meinung nach eingreifen müssen, weil es im Englischen keinen Begriff für „Itala“ gibt, Williams also keine Unterscheidung machen konnte.

Auch wenn das Buch wegen der Sprache und des historischen Hintergrunds (ihn zu kennen hilft beim Verständnis) nicht so leicht lesbar ist wie Williams zuvor erschienene Publikationen, lohnt sich die Lektüre dieses besonderen Buches.