Rezension

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Für den Fortgang der Trilogie interessant, inhaltlich nur 3 1/2 Sterne

Die Erpressung -

Die Erpressung
von Javier Cercas

Bewertet mit 4 Sternen

Melchor Marín ist vertretungsweise nach Barcelona abgeordnet worden, um Abstand vom Tod seiner Frau zu finden, die im Zuge des brutalen Mordfalls Adell (im vorigen Band) ums Leben kam. Sein väterlicher Freund Vivales nimmt ihn bei sich auf und übernimmt für Melchors kleine Tochter Cosette die Rolle des fürsorglichen Großvaters. In der Stadt, in der Melchor als Jugendlicher u. a. dealte, muss er die Erpressung der Bürgermeisterin Virginia Oliver mit angeblichen Sex-Videos untersuchen. Das Dezernat für Entführung, Vermisste, Cyberkriminalität, Drogen, Mord, Sexualdelikte und Jugendbanden versammelt alle Bereiche, auf die die Öffentlichkeit sensibel reagiert und in denen Ermittler kläglich scheitern können. Das Team um Blai und Vazquez hält die Bürgermeisterin für eine schwierige Klientin, die nur widerwillig mit der Polizei kooperiert. Sie hat offenbar zuerst selbst Kontakt mit ihren Erpressern aufgenommen, festgestellt, dass sie es nicht mit Amateuren zu tun hat – und nun soll die Kriminalpolizei Wunderdinge vollbringen. In Veronikas Kreisen ist man gewohnt, das stets Andere hinter einem aufkehren. Die Erpressung könnte private wie politische Gründe haben. In einer Stadt, in der altes Geld, Korruption und politische Macht nicht zu trennen sind, fragt man sich, wer von einem Rücktritt der Bürgermeisterin profitieren würde.

Ein weiterer Handlungsstrang zeichnet die Ich-Aussagen eines jungen Mannes aus einfachen Verhältnissen auf, dem offenbar für seine Kooperation mit den Ermittlern ein Deal versprochen war. Der Zeuge hat als Student die Freundschaft von drei Söhnen aus reichem Hause erkauft, indem er ihre kriminellen Taten deckte und in der Beziehung den treuen Arbeiter fürs Grobe gab. Relativ früh ahnt man als Leser, welche Beziehung vor Jahren zwischen Virginia Oliver und der Viererbande bestand – nur ist es noch lange nicht bewiesen.

Den brutalen Kriminalfall fand ich wenig fesselnd; die Abschweifungen und wechselnden Zeitebenen etwas anstrengend. Da der literaturliebende Melchor Marín jedoch beschlossen hat, sich bei nächster Gelegenheit für eine Stelle in einer Bibliothek zu bewerben und dem Polizeidienst den Rücken zu kehren, war er als Figur für mich interessant genug, um den machtgierigen Klüngel um die Bürgermeisterin zu ertragen.

Komplex, für den Fortgang der Trilogie wichtig, inhaltlich wenig begeisternd.