Rezension

Für Liebhaber von Sprache

Aufbruch - Ulla Hahn

Aufbruch
von Ulla Hahn

Bewertet mit 3.5 Sternen

Aufbruch ist Ulla Hahns Fortsetzung der Geschichte um Hilla Palm. Als hätte man Das verborgene Wort nie aus der Hand gelegt geht es weiter. Diesen Roman zu lesen, ohne den Vorgänger zu kennen rate ich dringend ab.

Wir begleiten Hilla diesmal durch ihr Abitur bis zum Studium im Köln. Der feine Umgang mit Wörtern und ihren Bedeutungen, mit Mehrdeutigkeiten und die sprachliche Finesse sind grandios. Die bildhafte und poetische Sprache versetzten den Leser mitten hinein in das verschlafene Dondorf und an den Rhein. Schön war auch die immer wieder behandelte Zeitgeschichte. Das Fernsehprogramm, die Prozesse um Alt-Nazis, die DDR-Flüchtlinge, der erste Supermarkt in Dondorf, Tod und Deutschlandbesuch von US-Präsidenten: All das gibt dem Leben Hillas einen fassbaren und bekannten Rahmen. Auch die Schilderung dieser Ereignisse im Zusammenhag mit ihrem Leben gelang sehr einfühlsam. Immer steht Hilla im Vordergrund, Ulla Hahn gibt nur einen Rahmen dafür.

Großartig fand ich wieder das Kölsch, in dem die Dondorfer reden. Mir hat es jedesmal Spaß gemacht den Dialekt zu lesen. Auch hier: Einfach toll wie Ulla Hann mit der Sprache umgeht.

Einen kleinen roten Faden bildet das Thema Steine, das schon im Verborgenen Wort mit dem Buchsteinen des Großvaters begann.

Einige Kritikpunkte habe ich an Aufbuch dennoch. Ich habe verhältnismäßtg lange für diesen Roman gebraucht, da er sich teilweise sehr zieht. Zwar hat er eine schöne Sprache, aber oft kein Thema. Die Stimmung ist durchgehend ruhig, was passend ist, das lesen hier aber anstrengend macht. Stellenweise fehlt einfach ein Plot. Für mich war Aufbruch mehr eine unheimlich bildhafte Autobiografie in schönen Worten als ein spannender Roman. Denn, dass die Geschichte autobiografisch ist, merkt man dem Roman an. Im positiven Sinne.

Schade fand ich auch, dass die große Liebe zu Büchern, Wörtern und schönen Sätzen, die mich im ersten Teil begeisterte, hier nach der "Lichtung" fast verlischt. Es ist verständlich beschrieben, dass die Wörter zu sehr in sie dringen und ihrem Kern zu nahe kommen. Aber so schade, dass sie nicht helfen und weggesperrt werden aus Herz und Heim. Ohne diese Leidenschaft wird Hilla spröde. Das ändert sich erst zum Ende hin wieder. Man merkt die Veränderung und die neue Hoffnung. Ja, das Ende hat mir wieder sehr gut gefallen.

Für diesen Roman sollte man sich Zeit nehmen und vor allem sollte man Lust darauf haben. Es wäre schade um jedes so durchdacht plazierte Wort, das überlesen wird, weil sich die Geschichte zieht. Wer Langsamkeit, Ausführlichkeit und die deutsche Sprache schätzt, der ist mit diesem Roman gut beraten. Noch besser allerdings mit dem ersten Teil; dem Verborgenen Wort.