Rezension

Für mich ein ganz klares Jahreshighlight !!!

Baby & Solo -

Baby & Solo
von Lisabeth Posthuma

Bewertet mit 5 Sternen

Eigentlich mache ich seit einiger Zeit einen großen Bogen um Jugendliteratur, weil ich einfach aus dem Genre rausgewachsen und dementsprechend oft und schnell genervt bin.
Ausnahmen bestätigen jedoch die Regel und als ich über BABY & SOLO stolperte, wusste ich sofort: Das willst du lesen. Nicht zuletzt, weil mich der Hanser Verlag noch nie wirklich enttäuscht hat.

Gesagt, getan: Jahreshighlight gefunden !

Das Buch beginnt mit dem Satz: "Ich glaube, Joel ist so weit". Ein Satz der für Joel bedeutet: Er kann nach jahrelanger Therapie und Aufenthalten in psychiatrischen Einrichtungen, endlich einen Schritt zurück in ein NORMALES Leben machen. Und sein erstes Ziel ist ein Schülerjob.
So landet er schließlich bei ROYO Video, der örtlichen Videothek, in der sich die Angestellten Pseudonyme verpassen und sich nach ihren liebsten Filmhelden benennen. Hier trifft er, der sich fortan selbst Solo (nach Han Solo) nennt auf Baby (die eigentlich Nicole) heißt. Um es abzukürzen: Die Beiden werden Freunde. Doch Joel hat Angst, sich Baby gegenüber zu öffnen und ihr allzu viel von ihm selbst zu erzählen, denn was, wenn sie seine Macke kennt ? Wird sie sich dann von ihm abwenden ?

Die Handlung ist zu komplex um sie nur kurz zusammenfassen zu können. Vor allem brüte ich seit Stunden darüber, wie ich eine Rezension zustande bringen soll, ohne zu spoilern. Naja, in dem ich nicht weiter auf den Inhalt eingehe vermutlich.

Deshalb konzentriere ich mich auf das, was mir hier neben dem Inhalt und der Themenvielfalt, die sich, wie ihr schon ahnt, unter anderem mit dem Thema Mental Health befasst, besonders gut gefallen hat.

Zum Einen sind da die Charaktere, allen voran natürlich Joel, der mir sehr ans Herz ging, weil er eigentlich ein ziemlich cooler Typ ist, der aber oft von seinen Zweifeln und Sorgen beherrscht wird und trotz vieler Therapien ein paar Eigenheiten hat, die er einfach nicht ablegen kann. Er hatte kein leichtes Leben und hat, das war mir recht schnell klar, ein krasses Trauma. Er ist anderen Menschen gegenüber sehr verschlossen, macht sich in der Videothek aber doch einen Namen und findet Menschen, die ihn, auch wenn sie nicht wissen, was in seinem Kopf vorgeht, akzeptieren wie er ist.
Dann ist da Baby, die selbst ein großes Problem hat. Sie wirkt immer recht mürrisch und kann die meisten Menschen nicht leiden, aber an Solo alias Joel frisst sie irgendwie einen Narren, auch wenn sie genervt davon ist, dass sie ihn an ihren Problemen teilhaben lässt, während er ihr einfach gar nichts erzählt, sich aber oft komisch verhält. Baby hat eine schwere Entscheidung zu treffen, die sich auf ihr komplettes weiteres Leben auswirken wird. Ihren inneren Kampf mitzuerleben, hat mich echt zu Tränen gerührt und stark bewegt.

Es gibt außerdem viele weitere tolle Nebencharaktere, wie Joels Vater, den ich sehr mochte. Die Crew der Videothek, Babys Mutter, Joels Arzt. Ich mochte sie alle. Bis auf Joels Mutter, die, statt nur ihren Sohn in diverse Kliniken zu stecken, dringend selbst mal eine Therapie bräuchte, die keine Geheimnisse für sich behalten kann, gerne tratscht und aufs übelste homophob ist. Ich fand die Frau, egal was sie erlebt hat, einfach nur zum Fürchten.

Ein weiterer positiver Punkt war natürlich die Zeit, in der die Geschichte spielt. Wir befinden uns nämlich im Jahr 1997, in dem ich beinahe genau so alt war, wie die Protagonist:innen. Es war, als würde man, nicht nur durch die Atmosphäre, sondern auch durch die genannten Filme und die Musik, einen Blick auf die eigene Jugend werfen. Großartig war das.

Auch der Schreibstil hat mir sehr gefallen, denn trotz all der wirklich sehr ernsten und auch schweren Themen, behält die Autorin zu jeder Zeit einen jugendlich leichten Ton bei, der durch viel Witz und Charme bei mir punkten konnte. Und auch an Spannung fehlt es hier nicht, schon alleine deshalb, weil man immer versucht zu ergründen, was genau Joel und seiner Familie widerfahren ist, was der Auslöser von allem war. Man hat zwar permanent so eine unterschwellige Ahnung, aber die wirkliche Auflösung lässt lange auf sich warten.

Ja, ich mochte es. Ich mochte es sosososo sehr. Für gewöhnlich ziehe ich bei Büchern, die keine Triggerwarnung haben, einen Punkt ab, aber hier fällt mir das wirklich schwer und deshalb verzichte ich darauf. Möchte allerdings trotzdem einen dringenden Appell an den Verlag aussenden, bei einer zweiten Auflage bitte darauf zu achten. Es gibt in diesem Jugendroman wirklich sehr triggernde Themen wie Homophobie, Mental Health und weitere, die ich nicht nennen kann, weil sie zwangsläufig spoilern würden. Vermutlich ist das auch ein Grund, warum man darauf verzichtet hat, aber ich finde es wichtig, dass man es von Verlagsseite dann zumindest irgendwie umschreibt !!! Das MUSS in meinen Augen einfach sein, weil ich glaube, dass das ein oder andere Thema viele Leser:innen betreffen könnte. Hier sollte also nachgebessert werden.

Ansonsten, ich habs oben schon gesagt: Ein Jahreshighlight für mich  !