Rezension

Fulminantes Kammerspiel

Angerichtet - Herman Koch

Angerichtet
von Herman Koch

Bewertet mit 4 Sternen

„Es kann natürlich sehr gut sein, dass die Sache niemals aufgedeckt wird. Aber kann man damit leben? Können wir damit leben?“

Zwei Ehepaare -  die Männer sind Brüder, Serge ist Spitzenkandidat für ein hohes politisches Amt in den  Niederlanden, Paul ist Lehrer im Ruhestand – sind in einem Nobelrestaurant verabredet. Es gilt ein wichtiges Thema zu besprechen, dass die Söhne der beiden Paare betrifft. Wir erfahren Alltäglichkeiten der Familien. Paul, der Erzähler, schweift gerne vom Hundertsten ins Tausende, lässt in Gedanken kein gutes Haar an seinem Bruder Serge, der in seinen Augen blasiert, ein Opportunist und arroganter Angeber mit Haus in Frankreich und absolviertem Weinseminar ist. Er selbst und seine Frau Claire sind ja viel bodenständiger, offener, ehrlicher.
Obwohl man schon zu Anfang erfährt, dass etwas vorgefallen sein muss, dass Paul einen kalten Schrecken einjagt, kommt das Buch zunächst ganz harmlos daher. Bis sich plötzlich das Drama mit voller Wucht entwickelt, sich tiefste zwischenmenschliche Abgründe auftun.

Angerichtet von Herman Koch ist ein fulminantes Kammerspiel voll mieser psycholgischer Finten, moralischer Verfehlungen und juristischen Entgleisungen. Bis zum Schluss niemand mehr die Person ist, für die sie gehalten werden sollte.

Koch spielt oft mit dem Anfangssatz aus Tolstois Anna Karenina über glückliche und unglückliche Familien. In diesem Buch wird sehr deutlich, dass oft nichts so ist wie es scheint und der Blick hinter die vorwurfsfreie Fassade manchmal ein Bild des Schreckens zeichnet.

Ich habe dieses Buch mit einer Mischung aus Faszination und Abscheu gelesen. Neugierig bin ich auf die filmische Umsetzung. Der Film „The Dinner“ läuft gerade in unseren Kinos. Man darf gespannt bleiben.