Rezension

Ganz anders als andere Dystopien, aber toll

Das Licht der letzten Tage - Emily St. John Mandel

Das Licht der letzten Tage
von Emily St. John Mandel

Bewertet mit 4.5 Sternen

In der Gegenwart bricht der Schauspieler Arthur Leander mitten in einem Theaterstück auf der Bühne zusammen. Ein im Publikum sitzender Arzt versucht ihm noch zu helfen, doch jede Hilfe kommt zu spät. Zurück bleiben drei Exfrauen, ein Sohn und ein kleines Mädchen, Kirsten, das eine kleine Rolle in dem Theaterstück hatte und Arthur Leander beim Sterben zusieht. Was keiner von ihnen ahnt: Wenige Tage später wird eine Grippepandemie ausbrechen, die fast die gesamte Menschheit auslöschen wird.

Zwanzig Jahre später. Kirsten zieht mit der Fahrenden Symphonie, einer Gruppe aus Schauspielern und Musikern, umher und gibt in den kleinen Ortschaften, die entstanden sind, Vorführungen. Die Welt hat sich komplett geändert, aber einige kleine Dinge, wie die Liebe zur Musik und zum Theater, sind noch immer gleich geblieben.

 

Bei das Licht der letzten Tage handelt es sich um eine Dystopie, aber keine, wie man sie schon zig Mal dank dem Dystopien-Trend kennt. Nein, diese Dystopie ist ganz anders. Ruhig und einfühlsam erzählt, trotzdem voller Spannung und gewaltiger Umbrüche und Veränderungen im Leben der Menschheit. Zu Beginn hatte ich die typischen Dystopie-Stilmittel erwartet. Sich gegenseitig bekämpfende Menschen, viel Tod, Verzweiflung, Überlebende im Kampf ums Überleben. All das gibt es in diesem Buch auch, aber irgendwo im Hintergrund, und es wird dem Leser nur nebenbei nähergebracht. Vielmehr liegt der Fokus hier auf den einzelnen Personen, auf kleinen Details, auf Verknüpfungen. Und dadurch wird das Buch am Ende viel gewaltiger im Ausmaß, als es die typischen anderen Dystopien je sein könnten.

Zu Beginn des Buches werden die verschiedenen Protagonisten eingeführt, denen man im Buch begegnet. Dabei ist es besonders spannend, dass die einzelnen Kapitel zu verschiedenen Zeiten spielen. Während einige lange oder ganz knapp vor dem Ausbrechen des Grippevirus spielen, gibt es wieder andere, die das Leben kurz nach der Wende beschreiben oder wiederum welche, die 20 Jahre nach der Katastrophe spielen. Dadurch  wird ziemlich schnell deutlich, was für verheerende Konsequenzen die Grippe hatte und wie sehr sich die Menschheit dadurch ändert.

Ziemlich gut gefallen hat mir, wie die einzelnen Charaktere miteinander verwoben sind. Zum Beispiel Kirsten, einen der wichtigsten Hautcharaktere. Zu Beginn des Buches spielt sie als Kind kurz vor dem Ausbrechen der Grippe in einem Theater mit. 20 Jahre später, als die Welt komplett verändert ist, ist die Teil der fahrenden Symphonie und reist mit dieser durchs Land. Doch was hat sie mit den anderen Personen zu tun? Kannten sich diese überhaupt? Zunächst hatte ich das Gefühl, dass die Autorin einfach wahllos über Personen berichtet, die rein gar nichts miteinander zu tun haben und deren Erlebnisse in Kombination überhaupt keinen Sinn ergeben. Aber nach und nach lichtet sich dieses Bild immer mehr und der Leser merkt, wie geschickt die Autorin die einzelnen Charaktere und Schicksale verknüpft hat. Und seien diese Verknüpfungen noch so kleine Details, plötzlich ergibt alles einen Sinn, plötzlich erkennt man alle Verbindungen. Und all das gibt der Geschichte mit dem Schreibstil zusammen dieses gewisse Etwas und ganz Besondere.

Am Anfang noch etwas enttäuscht, nicht die typische Dystopie vor mir zu haben, war ich am Ende sogar froh darüber. Denn obwohl das Licht der letzten Tage viel ruhiger und melancholischer erzählt ist, obwohl die Menschen im Vordergrund stehen und viele kleine Details, so war die Geschichte doch viel düsterer und gewaltiger als andere Dystopien.

Emily St. John Mandel erzählt feinsinnig, geschickt verknüpft und auf ganz besondere Art und Weise. Dabei musste ich anfangs erst etwas in die Geeschichte hineinkommen, doch sobald sich die Linien und Stränge zu verbinden begannen, fand ich das Buch nur noch eins: Ganz wunderbar.