Rezension

Ganz nett

Der Sommer meiner Mutter - Ulrich Woelk

Der Sommer meiner Mutter
von Ulrich Woelk

Bewertet mit 3 Sternen

Es ist der Sommer des Jahres 1969: Tobi ist gerade 11 Jahre alt geworden und nichts scheint ihm aufregender als die bevorstehende Mondmission. Nur Rosa, die Tochter der neuen Nachbarn, weckt sein Interesse und lockt ihn etwas heraus aus seiner Welt aus Raketen und Astronauten. Und es ist der Sommer, in dem Tobis Mutter sich das Leben nehmen wird.

Das klingt nach einem spannenden wie berührenden Roman. Doch für mich war „Der Sommer meiner Mutter“ leider nicht mehr als eine bedächtig erzählte Geschichte über das Erwachsenwerden im 69er Setting. Die vielen Verweise auf das Zeitgeschehen - Die Frau gehört in die Küche, Farbfernseher haben nur reiche Onkel, Kommunismus, The Doors- und Janis Joplin-Platten, Vietnamkrieg, Die Mondlandung!, 200 km/h sind furchtbar schnell, Schlaghosen, Jeans, alle rauchen überall - hatten für mich keinen Mehrwert. Eine 60er Jahre Schablone, die ein bisschen die Hintergründe illustriert aber absolut nichts erzählt, was man nicht ohnehin schon über diese Epoche weiß.

Gut gemacht fand ich allerdings Tobis Sicht auf die Welt. Er erkennt, dass seine Eltern – insbesondere seine Mutter – Individuen sind, über die er eigentlich nichts weiß und die eventuell mehr vom Leben erwarten als sich um ihn zu kümmern und ihn zu umsorgen. Er entdeckt, dass er Mädchen mag, auch wenn er über Sexualität absolut nicht aufgeklärt ist. Aber er steckt trotzdem noch in seiner unbekümmerten Kinderrolle und will noch nicht wirklich hinaus aus diesem behüteten Raum. Doch auch das ist nichts, was ich nicht anderswo schon besser gelesen hätte: Wie bunt und prall und lebendig beschreiben beispielsweise Nathan Hill oder Emma Cline das gleiche Jahrzehnt. Wie viel berührender waren dort Verlust und Erwachsenwerden beschrieben obwohl Tobis Verlust keinesfalls weniger schwer wiegt.

Der Kontrast zwischen liberalen und konservativen Eltern ist gut gelungen und auch die Dynamiken innerhalb der Elterngruppe waren gekonnt wiedergegeben, werden von Tobi aber immer nur am Rande registriert, da ihm ständig Rosa und die Mondlandung im Kopf herumschwirren.
Insgesamt war der Sommer meiner Mutter eine gut lesbare, wenig spannende Geschichte, die ein bisschen betroffen macht aber in erster Line ein „Ach ja, so war das damals“-Gefühl hervorruft. Mehr - bei mir - aber leider nicht.