Rezension

Ganz nett, aber kein Hammer

Dreimal Liebe - Carina Bartsch

Dreimal Liebe
von Carina Bartsch

Bewertet mit 3 Sternen

Wenn man Farben schmecken könnte
Tobias ist von Geburt an blind. Einher mit seiner Behinderung gehen starke Minderwertigkeitskomplexe. Er schämt sich dafür, öfter mal zu stolpern und nicht so leben zu können wie andere. Er mag seine Klassenkameradin Anna, die er vor allem für ihre Stimme liebt. Aber er hätte niemals den Mut, sie anzusprechen.
Anna musste Tobias an seinem ersten Schultag durch die Gänge führen. Schon da hat sie den schüchternen Jungen ins Herz geschlossen. Kann sie den Mut aufbringen, ihn eines Tages anzusprechen?

Die Liebe zwischen Tobias und Anna ist ganz klein und zart. Beide sind sehr schüchtern und brauchen lange, sich ihren Gefühlen bewusst zu werden und sie dem jeweils anderen anzuvertrauen. Wie sich die beiden aneinander herantasten, ist einfach zuckersüß. Dazu kommt der altbekannte Schreibstil von Carina Bartsch. Anna ist zwar nicht so wortgewandt wie Emely aus Kirschroter Sommer, klopft aber auch den ein oder anderen Spruch und schafft es, Tobias die Welt der Farben näher zu bringen. Gut gefallen hat mir, dass es einen auktorialen Erzähler gab, das heißt, es wurde gleichermaßen aus Annas sowie aus Tobias Sicht erzählt. So war man sich sicher, dass sich die beiden mögen, aber zu unsicher sind, um einen Schritt vorwärts zu machen.

Kein greifbarer Gegner
Jan steht an der Küste und lässt seinen Gedanken freien Lauf. Er war überglücklich, seine Frau Sonja kennengelernt zu haben, doch dann befiel sie der Krebs. Jetzt kämpfen beide darum, ihr Leben aufrecht zu erhalten. Doch Sonja erachtet ihr Leben nicht mehr als lebenswert und wünscht sich, in einem glücklichen Moment zu sterben, statt darauf auf den Tod zu warten und immer mehr Schmerzen zu haben. Kann Jan diesen Schritt gehen?

Diese Geschichte ist mit nur wenigen Seiten die kürzeste der Drei. Sie besteht lediglich aus Jans Gedanken. Er erinnert sich sowohl an die schönen Tage mit Sonja als auch an die nicht so schönen. Er hadert mit sich und überlegt, was das richtige ist. Am Ende glaubt er, sich entschieden zu haben. Für das Richtige?
Zu dieser Geschichte habe ich keinen wirklichen Zugang bekommen. Kann daran liegen, dass es keine wirkliche Aktion gibt oder dass die Geschichte so kurz ist. Für mich war sie jedenfalls die schwächste.

Die vergessenen Kinder von Brooklyn 
Die letzte Geschichte handelt (wie der Name schon sagt) von Straßenkindern in Brooklyn. Joel lebt schon seit zwei Jahren auf der Straße und hat sich dem harten Leben angepasst. Cathy stammt aus gutem Elternhause, ist aber von zu Hause abgehauen und schließt sich plötzlich Joels Gruppe an. Schnell gewöhnt sie sich an die neuen Umstände, und die beiden verschiedenen Persönlichkeiten kommen sich näher. Als Joel ein Gesucht-Bild von Cathy sieht, muss er sich entscheiden, ob er das Beste für sie oder sich selber will.

Mit den ersten paar Sätzen war ich völlig von der Geschichte eingenommen. New York wird geschrieben, sowohl von seinen schönen Seiten als auch von den nicht so schönen, die gerne mal unter den Teppich gekehrt werden. Das ist so gut gemacht, dass mir das Lächeln, das ich auf den Lippen hatte, als ich mich an die schönen Flecke New Yorks erinnert habe, eiskalt gefroren ist, als die Schattenseiten geschildert wurden. Genauso verhält es sich mit dem Inhalt. Die Straßenkinder bzw. -jugendliche haben sich mit ihrem Leben arrangiert. Sie sind organisiert und haben den ein oder anderen Glücksmoment in ihrem Leben. Joel zum Beispiel ist ein großer Fan von Musik und spielt sich Lieder, die ihm im Radio gefallen, auf Kassette. Dass er sagt, "Creep" von Radiohead würde perfekt in seine Situation passen, hat mich total aus der Bahn geworfen. Noch mehr freute ich mich jedoch, als Cathy meinte, dass er sich bloß nie so fühlen sollte. Es ist einfach ein super ausgewähltes Lied. Davon abgesehen haben mich Joel und Cathy nicht allzu sehr berührt. Es wurde aus Joels Sicht berichtet, und er war die meiste Zeit ziemlich abgeklärt. Trotzdem ist gegen Ende seine Zuneigung zu Cathy durchgeschimmert.

Wer von den drei Kurzgeschichten eine ähnliche Leistung wie in den Romanen erwartet, der wird enttäuscht.
Natürlich fehlt den einzelnen Geschichten an Tiefe, sonst sähen sie umfangtechnisch wohl auch etwas anders aus. Ich habe mich gut unterhalten gefühlt. Alle Geschichten haben etwas Spezielles, und vor allem bei der ersten hätte ich mir gewünscht, dass sie noch etwas länger gewesen wäre (oder sogar ein Roman?). Wer von Bartsch' Schreibstil nicht genug bekommen kann, kommt hier voll auf seine/ihre Kosten. Der Humor ist nicht ganz so extrem, aber die Figuren sollen ja auch nicht zu sehr an Elyas und Emely angelehnt sein. Definitive Kaufempfehlung für ein kurzes Lesevergnügen!