Rezension

Gastarbeiter aus Armenien, gestrandet in Deutschland – ein nicht nur geschichtlich interessanter Rückblick!

Auf der Straße heißen wir anders -

Auf der Straße heißen wir anders
von Laura Cwiertnia

Bewertet mit 5 Sternen

Karlotta, auch Karla genannt, erzählt über die vielen Herkunftsorte ihrer deutsch-armenischen Familie, angefangen mit der Beerdigung der Großmutter, die als Gastarbeiterin in den 60ern in Deutschland ankommt bis abschließend zur Urgroßmutter Armine in den Straßen von Istanbul mit den Hintergrundinformationen zu deren goldenem Armreif und Lilit, ihrer jüngeren Schwester.

Diverse Fragen zum Grübeln werden aufgeworfen: Wie lange es wohl dauert, bis aus einem Zuhause eine Heimat wird? Hast du gewusst, dass man seine Muttersprache vergessen kann? Wie ist es, keine Geschichte zu haben, die man mit anderen teilen kann?

Geschichtlich sind folgende Fakten wichtig: Während des Ersten Weltkriegs ermordeten die Jungtürken im Osmanischen Reich bis zu 1,5 Millionen Armenier, wohl auch Griechen, Juden. Der Genozid fand hauptsächlich auf dem Gebiet der heutigen Türkei statt. Die deutsche Armee war mit den türkischen Soldaten verbündet.

Auf der Straße heißen wir anders: Zuhause hieß sie Maryam, draußen, Meryem. Hagop hieß Hüsein. Von seinem Vornamen stand über der Tür der Schusterei nur das H. vor Kunduracı, seinem Nachnamen, der nicht versteckt werden musste, weil er längst türkisch war. Sobald ihr Sohn laufen konnte, würde Maryam ihn draußen vor den Nachbarn Ali rufen. Darum hatte sie ihn Avedis getauft und ihm den Spitznamen Avi gegeben. Schon vor der Nacht vom 6. September 1955 sahen sich wohl viele Armenier dazu veranlasst, sich zum Schutz türkische Namen zu geben nach Enteignung, Konzentrationslager, Massaker, Todesmärschen. Vergewaltigung etc..