Rezension

Geesches verhängnisvolle Entscheidung

Die Hebamme von Sylt - Gisa Pauly

Die Hebamme von Sylt
von Gisa Pauly

Bewertet mit 3 Sternen

1872 Sylt. Während draußen der Sturm tobt, kommt die Hebamme Geesche Jensen um vor Sorge um ihren Verlobten Andrees, der bei der Inselbahn arbeitet. Doch sie hat keine Zeit, länger darüber nachzudenken, denn es wollen auch zwei Kinder auf die Welt kommen, wofür ihre Hilfe von Nöten ist. So erblicken in jener Nacht sowohl Elisa, die erste Tochter des Grafen von Zederlitz, als auch Hanna Boyken, die Tochter eines armen Fischers, unter Geesches Augen das Licht der Welt. Geesche, die von ihren Sorgen nicht loskommt, begeht einen fatalen Fehler, der 16 Jahre später einige Menschen ins Unglück stürzt…

Gesa Pauly hat mit „Die Hebamme von Sylt“ einen unterhaltsamen historischen Roman vor der malerischen und sturmerprobten Kulisse Sylts vorgelegt. Der Schreibstil ist flüssig und sehr detailliert, was dem Leser zum einen einen guten Einblick in das Inselleben zur damaligen Zeit ermöglicht, zum anderen aber leider auch zu einen zähen Lesefluss führt. Dazu kommt, dass die Autorin den Leser gleich mit dem Prolog das eigentliche Geheimnis schon offenbart, was der Geschichte sämtliche Spannung wegnimmt und es im weiteren Handlungsverlauf nur noch darum geht, wann es ans Tageslicht kommt und welche Reaktionen es hervorrufen wird. Durch das Wissen um das Geheimnis ist das Hauptpulver verschossen, das die Spannung eigentlich treiben soll. Daran ändern auch die unterschiedlichsten Handlungsstränge und Perspektiven nichts, eher wirken sie wie eine Ablenkung vom eigentlichen Geschehen. Die historischen Fakten der Sylter Geschichte sowie das damalige Inselleben werden von der Autorin sehr schön und bildlich geschildert, so erfährt der Leser von der Wichtigkeit des Fischfangs für die armen Bewohner und auch von der Entwicklung des Tourismus auf der Insel durch die Inselbahn und die wachsende Besucherzahl.

Die Charaktere sind recht einfach gestrickt, niemand von ihnen ragt besonders aus der Masse hervor, so dass der Leser eher außen vor ist als mittendrin. Die so geschaffene Distanz nimmt den Leser jegliche Möglichkeit, sich mit den Protagonisten zu identifizieren und sich ihnen nahe zu fühlen. Geesche hat als einzige Hebamme von Sylt eine sehr verantwortungsvolle Stelle. Eigentlich vermutet man hinter so einer Person Integrität sowie Einfühlungsvermögen, Ehrlichkeit und Empathie. Doch all diese Dinge sind hinfällig, wenn man in Betracht zieht, was sie mit ihrem Handeln verursacht. Der Adel, vertreten durch Graf Arndt Zederlitz und seine Familie, wirkt abgehoben und weltfremd. Tochter Elisa wird als überirdische Schönheit dargestellt, während Hanna nicht nur mit einem Handicap leben muss, sondern auch rundum als hässlich beschrieben wird. Auch Protagonisten wie Ebbo, Nissen oder Pollacsek treten nicht besonders hervor, um der Handlung mehr Intensität zu verleihen.

„Die Hebamme von Sylt“ ist ein unterhaltsamer Roman, der Familiengeschichten, Sylter Inselleben, die Liebe und historische Fakten sowie etwas Spannung in sich vereint. Da das Geheimnis dem Leser schon so bald offenbart wird und dadurch viel an Spannung einbüßt, gibt es hier nur eine eingeschränkte Leseempfehlung!