Rezension

"Gegenfragen sind uncool"

Keimzeit - Bernd Mannhardt

Keimzeit
von Bernd Mannhardt

Bewertet mit 5 Sternen

Schauplatz Berlin: Hajo Freisals zweiter Fall spielt natürlich wieder in Moabit. Am Stephansplatz wird ein Toter gefunden, angelehnt an das "Café Achteck", ein historisches Pinkelhäuschen, sitzt ein junger Mann mit einem Messer im Bauch. Seine Identität ist schnell geklärt, es handelt sich um Stephan Klein, der als Fotograf mit Makroaufnahmen sein Glück versuchte. Die Befragungen führen Hajo Freisal und Yasmine Gutzeit in die Kunstszene des Kiezes, sie erfahren dass Stefan sich mit einem Bauträger angelegt hat, der heruntergekommene Mietwohnungen teuer saniert und gewinnbringend in Eigentumswohungen umwandelt. Wer hatte ein Motiv den jungen Mann zu töten?

Ich habe mich auf das Wiedersehen mit dem sympathischen Ermittlerteam Hajo Freisal  und Yasmine Gutzeit gefreut, aus dem ersten Fall sind sie mir noch gut bekannt. Hajo hat in der Zwischenzeit seinen Pfunden den Kampf angesagt, er trainiert im Fitnesscenter und hat sogar schon einige Kilo abgenommen. Auch ist er seinem neuen Smartphone gegenüber inzwischen aufgeschlossener und macht sich mit der Technik vertraut, dabei hat er tatkräftige Hilfestellung von Yasmine.

Zwischen Hajo und Yasmine gibt es wieder frische spritzige Dialoge, die beiden sind zwei starke Charaktere die sich wunderbar ergänzen. Hajo der ältere väterliche Kollege, der seiner jungen Kollegin auch mal in Liebesfragen Ratschläge gibt. Und Yasmine, die taffe Motorradfahrerin, die Hajo Hilfestellung in Technikfragen gibt.  Noch immer hat Hajo stets einen lockeren Spruch auf den Lippen, sein "hätte, hätte..." und "Gegenfragen sind uncool" sind schon Kult.

Freisal sieht sich mit dem Kunstmilieu konfrontiert und hat seine kleinen Probleme, in den Installationen tatsächlich Kunst zu erkennen, ganz anders als Yasmine.  Nebenbei spielt auch das Thema Gentrifizierung und die Sanierung von Altbauwohnungen mit in die Story rein. Viel Lokalkolorit und Berliner Slang sorgen für die passende Atmosphäre, dazu Humor und lockere Dialoge.
Wenn man den Kiez kennt fühlt man sich beim lesen heimisch, ein Ausschnittsplan am Ende des Buches von Moabit hilft Ortsunkundigen, die Wege der Protas nachvollziehen zu können.

Besonders gut haben mir die Ermittlungen gefallen, wie überlegt die Kommissare an den Fall rangehen, ihn von allen Seiten beleuchten ohne vorschnelle Schlüsse zu ziehen. Dabei bleiben beide menschlich und können sich in die Lage ihrer Verdächtigen hinein versetzen.

Akribisch werden verschiedene Personen aus Stephans Umfeld befragt, potentielle Verdächtige gibt es einige. Außerdem tauchen mehrere skurrile Charaktere auf,  die die Handlung authentisch wirken lassen. Ich konnte wunderbar miträtseln und eigene Überlegungen anstellen.  Doch selten wurde ich bei einem Krimi als Leser so an der Nase herumgeführt wie hier. Der Plot ist dicht, der Autor legt falsche Fährten und hat mich mit seinem Ende vollkommen überrascht, es war für mich nicht vorhersehbar.  Wobei das Ende stimmig ist, zur Story passt und nicht konstruiert wirkt. Ganz wie das Leben spielt....

Fazit: Klasse Story, zwei sympathische Ermittler und spritzige Dialoge. Hajo ist Kult. Auf den nächsten Fall bin ich schon gespannt!