Rezension

Geheimnisse im Schwarzwald

Das Lied der Wächter - Der Gesang - Thomas Erle

Das Lied der Wächter - Der Gesang
von Thomas Erle

Der zweite Band der Trilogie "Das Lied der Wächter" setzt nahtlos am Ende von Band 1 an. Felix setzt seinen Weg alleine fort und lässt Lena, ihre kleine Siedlung und die dortige Sicherheit zurück. Wie schon in Band 1 verläuft die Handlung überwiegend ruhig, konnte mich aber dennoch fesseln. Felix begegnet auch in diesem Band den unterschiedlichsten Personen im Sperrgebiet und nicht alle sind ihm freundlich gesinnt. Thomas Erle gelingt es dabei, die auftauchenden Personen mit wenigen Worten so in die Handlung zu integrieren, dass man ihre Interaktionen mit Felix interessant findet und bei jeder neuen Begegnung auf Hinweise hofft, die die seltsame Kraft im Gebiet erklärt. Doch ebenso wie Felix scheinen auch die Bewohner nur wenig über das zu wissen, was um sie herum geschieht. Sie haben sich damit arrangiert.

Anders als noch in Band 1 mehren sich die unheimlichen Ereignisse jedoch. Der "Gesang", der die "Spinne", jene unheimliche Kraft, ankündigt, zeigt zunehmend die damit einhergehenden Gefahren. Und dann trifft Felix im Laufe der Handlung ein Mädchen, das ein besonderes Geheimnis birgt und Felix' Welt in mehrfacher Hinsicht auf den Kopf stellt. Mich fasziniert die Art, wie die ruhige Handlung mit wenigen Hinweisen auf die geheimnisvolle Kraft eine Grundspannung erzeugt, die mich regelrecht an die Seiten gefesselt haben. Dazu die schönen Landschaftsbeschreibungen, bei denen ich stets das Gefühl hatte, selbst durch den Schwarzwald zu wandern. Für mich ist die Mischung fast perfekt - nur zum Ende hin hätte ich doch gerne mehr Klärung erhofft. Doch um herauszufinden, was genau diese Kraft nun ist, muss der Leser geduldig auf Band 3 warten. In der Hinsicht war das Ende von Band 2 leider etwas ernüchternd.

Charaktere tauchen wie gesagt vielfach auf und begleiten Felix zumeist für eine kurze Zeit - entweder weil sie ihm helfen oder weil sie eine Gefahr darstellen. Obwohl die Nebencharaktere nur kurz von Bedeutung sind, empfand ich sie überwiegend als lebendig und authentisch beschrieben. Sie passen sich nahtlos in die Handlung ein und zeigen auf, wie das Leben im Sperrgebiet verläuft, ohne irgendwie gezwungen bedeutungsvoll zu sein. Selbst Chiara, die ein seltsames Geheimnis birgt, begleitet Felix ein Stück der Handlung, hat einen nachhaltigen Einfluss auf ihn - und lässt ihn weiterziehen. Das erzeugt eine erfrischende "Gelassenheit".
Zeitgleich wächst Felix an den Aufgaben, die ihm auf der Suche nach seinen Eltern im Weg stehen. Er wird merklich nachdenklicher, reflektiert das Geschehen zunehmend und nimmt nicht mehr alles einfach hin. Er wird erwachsener und geht mit neuen Situationen zunehmend geplanter um. Wo ich Felix in Band 1 noch zu sprunghaft und unüberlegt fand, mag ich ihn mittlerweile echt gerne!

Fazit: Wer Band 1 zu langatmig und unaufgeregt fand, wird vermutlich auch an Band 2 keine Freude haben. Mich fasziniert eben dieses Unaufgeregte aber sehr und die hintergründige Spannung fesselte mich an die Seiten, sodass ich den Band innerhalb weniger Tage durchgelesen hatte. Zudem genoss ich die Landschaftsbeschreibungen und freue mich darauf, irgendwann selbst den Schwarzwald zu durchwandern! Wenn Band 3 die Rätsel um die seltsame Kraft nun endlich aufklärt, hat die Trilogie Potential, eine meiner liebsten Buchreihen zu werden!