Rezension

Geht unter die Haut

Brunnenstraße -

Brunnenstraße
von Andrea Sawatzki

Bewertet mit 5 Sternen

Andrea Sawatzki erzählt in diesem Buch ungeschminkt über die kleine Andrea, die nichtehelich geboren wird. Der Journalist Günther Sawatzki zieht später mit seiner kleinen Familie zusammen, doch so einfach wie gedacht wird das nicht. In späteren Jahren wird er schwer dement, die Krankheit verändert ihn, er wird launisch, ungeduldig, zornig. Die Mutter muss den Lebensunterhalt verdienen, die Tochter den kranken Vater pflegen.

In verschiedenen Anekdoten nähert sich die autofiktionale Geschichte langsam dem Geschehen, das die junge Andrea völlig überfordert. Dies alles in einer Zeit, in der es noch kein Verständnis für die Demenz als Krankheit und noch weniger Hilfen für die pflegenden Angehörigen gibt. So sachlich die Geschichte erzählt wird, so sehr geht sie unter die Haut. Man leidet mit Andrea mit, begräbt mit ihr so manche Hoffnung, die sie als Kind mit sich getragen hat. Das Hörbuch liest die Autorin selbst, und sie zieht den Hörer schnell in ihren Bann, wenn sie mit einer gewissen Distanz und doch jeder Menge Emotionalität von Ereignissen erzählt, die das erhoffte Bild der liebevollen Kleinfamilie mit Wucht zersprengen. Es ist keine leichte Aufarbeitung, immer wieder stockte mir beim Zuhören der Atem. Umso mehr berührt diese Geschichte und bricht eine Lanze für alle Kinder, die in ihrer Überforderung scheinbar Schuld auf sich laden.

Dieses Hörbuch empfehle ich unbedingt weiter und vergebe alle 5 möglichen Sterne.