Rezension

Genremix: Frustration vorprogrammiert

Fremdes Licht - Michael Stavaric

Fremdes Licht
von Michael Stavaric

Bewertet mit 3 Sternen

Genremix kostet 2 Sterne. Literarisch gut aufgestellt.

Das Setting ist formidabel. Ein fremder Planet. Eisplanet. Atembare Luft. Eis. Mehr Eis und noch mehr Eis. Kalt. Mehr kalt. Und eine Bruchlandung. 

Die Erde ist tot. Ein Komet schlug ein, aber einige Hundert haben es in das Raumschiff geschafft, das für die Planetenbesiedlung in irgendeiner Zukunft gedacht war. Es ist das einzige, wo gibt und es ist nicht die dafür vorgesehene Besatzung, die es an Bord geschafft hat. Gleichwohl auch Elaine, Genomforscherin, und Darius, ihr Jugendfreund, der Kapitän. 

 Die Erde ist tot und alle anderen sind auch tot. Nur Elaine hat die Bruchlandung überlebt. Sie ist nicht nur die einzige Überlebende dieses Schiffs, sie ist die einzige Überlebende der Menschheit. 

 Der Autor versteht es, den Leser in die Langsamkeit von Elaines Gedankenwelt zu ziehen. Er versteht es, verständlich zu machen, dass Elaine, aufgrund ihrer Prädisposition bezüglich Psyche, Körper und Herkunft die einzige Person ever sein könnte, die es tatsächlich schaffen könnte, diesen enormen Schock zu verdauen, sich am Leben zu erhalten und eventuell sogar einen Ausweg zu finden. Oder sie bringt sich um. Die einzige zu sein, das hält doch keiner aus! Allerdings haben Elaines Vorfahren, die Inuit, Aufgeben nicht als Option im Hirn. Vor allem ihre Urgroßmutter nicht, die in Vorzeiten, eine ebenfalls aussichtslose Situation aushielt und überlebte. 

 Obwohl das äußere und innere Setting so wirkt, als ob einem bei„Fremdes Licht“ ein spannender Thriller in das Netz gegangen wäre, ist dies nicht der Fall. „Fremdes Licht“ ist ein ernsthafter Roman. Jedenfalls im ersten Teil, der exakt bis zur Hälfte reicht. 

 

An was würde man selber denken, wenn man sich in einer hoffnungslosen Lage wiederfände? Verständlicherweise erinnert man sich. Denn die Erinnerungen sind das einzige Reale und Bekannte, was geblieben ist. So sind auch Elaines Gedanken ein Wirrwarr von Erinnerungen an ihre Jugend, an all das, was sie mit dem Großvater in den grönländischen Sommern und Wintern erlebt hat, eine Zeit, die sie exakt auf das vorbereitet zu haben scheint, was sie jetzt erleidet. Sie weiß zum Beispiel genau, dass sie sich in dieser extremen Kälte nicht zu viel auf einmal bewegen darf, weil ihr Herz sonst nicht mitmacht. Aber auch nicht zu wenig, weil sie sonst erfriert. 

 Im ersten Teil erfährt der Leser zudem viel über die Inuit. Über ihre Götter und ihre Lebensweise. Er nimmt Anteil an Elaines Leben als Biologin. An ihrer Liebe zu ihren Familienmitgliedern und zu Darius, ihrem Jugendfreund. 

 In der Kälte geht alles quälend langsam. Das ist einsehbar. Es passiert deshalb wenig, was nicht in Elaines Gedanken passiert. Obwohl Elaine so ganz allmählich einen Plan hat. Es stockt einem der Atem. Elaine muss ihre Unterkunft verlassen, denn sie hat etwas erschaffen, was ihr den endgültigen Garaus machen könnte und sie muss vor dem Selbsterschaffenen weglaufen. Es kommt nämlich nicht darauf an, weiß sie, dass sie selbst weiterlebt, sondern, dass irdisches Leben überhaupt existent bleibt. Wenn sie diesen Planeten mit Leben besiedelt, mit wiederstandsfähigem Leben, mit Leben, das sich weiterentwickeln kann, dann hat sie ihre Mission erfüllt. Dafür setzt sie das letzte ein, was sie hat: ihr eigenes Leben. 

 

Der zweite Teil ist ein Schlag ins Gesicht. Der Autor wechselt das Genre. Das war nicht vorhersehbar! 

Vom wirklich guten Science-Fiction-Roman geht es ab ins Chicago vergangener Zeiten, Mitte 19. Jahrhundert, als ein Frauenmörder die City heimsucht. Aus einem Science-Fiction-Roman hohen literarischen Niveaus wird ein Horror-Schauer-Kriminalroman mit gehörigem esoterischen Einschlag. 

 Es ist Geschmacksache, ob man diesen zweiten Teil goutiert. Geschrieben ist er so gut wie der erste. Aber inhaltlich kann die geneigte Leserin nicht mitgehen. Weder Esoterik noch Schauerroman findet ihren Beifall. 

Man muss dem Autor zugutehalten, dass er alles, was folgt, die Geschichte der Urgroßmutter in Chicago, durchaus schon im ersten Teil vorbereitet hat. Aber wer hätte gedacht, dass es gleich so schlimm kommen würde! 

 

Ein Wort noch zum Schluss. Nach all der bedrohlichen, grauen Verzweiflung ist das Ende des Romans leider weder passend noch glaubwürdig. „Zwei Menschen gehen Hand in Hand in den eisigen Sonnenuntergang“. Ironie off. 

Fazit: Genremix: Kann man machen, wenn man Lust am Experimentieren hat, man verliert aber jede Menge Leser dabei. So schade. Es bleiben dennoch 3 gute Punkte übrig. 

Kategorie:Genremix. (SF plus Schauerroman)
Luchterhand, Auf der Longlist des Österreichischen Buchpreises 2020