Rezension

Genreübergreifendes Kunststück

Das giftige Glück -

Das giftige Glück
von Gudrun Lerchbaum

Bewertet mit 4 Sternen

Breaking News: Bärlauch in und rund um Wien plötzlich von todbringendem Pilz befallen.

Seltsame Dinge gehen vor in Wien. Menschen sterben plötzlich, nachdem sie von der aromatischen Pflanze gegessen haben. Verzückt und voller Glücksgefühle sollen diese Personen in ihren letzten Minuten gewesen sein. Schnell wird von den Behörden vom Verzehr des Viennese Weed, wie der Bärlauch bald genannt wird, gewarnt. Parkanlegen werden geschlossen, Waldstücke gerodet, weil der Run auf den tödlichen Glücksbringer sonst nicht in den Griff zu bekommen wäre.

Auch Kiki, die schon ein sehr bewegtes Leben gehabt hat und derzeit ihre an MS erkrankte Freundin Olga betreut, will sich am Stadtrand mir Bärlauch eindecken. Sie trifft dort auf die dreizehnjährige Jasse. Die Mutter des Mädchens hat die Familie verlassen und das Mädchen leidet seither unter diesem Verlust.

In diesem Roman ist die Coronapandemie schon überwunden, nun leidet Wien an der „Seuche Suizid“. Es gibt all das was wir heutzutage gut genug kennen: die Vernetzung von Politik, Medien, (selbsternannten) Experten, Menschen, die genau das Gegenteil von dem, was rational wäre, tun, weil sie hinter allem eine Verschwörung wittern und die ganze Dynamik, die sich dabei entwickelt.

Die Protagonistinnen in diesem Buch – Kiki, Jasse, Olga – haben alle ein ganzes Paket an Leben mit sich herumzutragen. Die schwerkranke Olga, die sich oft mit beißendem Zynismus hervortut und sehr geradeheraus ist. Kiki, die schon einmal eine Haftstrafe verbüßt hat und nun wieder gegen schwere Vorwürfe ankommen muss. Jasse, mutterlos, pubertierend, die zornig ist auf alles und jeden. Sie alle suchen nach ein bisschen Glück und wählen dabei nicht immer den einfachsten Weg.

Das giftige Glück, der neue Roman der österreichischen Schriftstellerin Gudrun Lerchbaum, ist ein genreübergreifendes Kunststück. Dystopie, Fantasy, Krimi, Gesellschaftssatire? Von allem ein bisschen und von allem gut. Mit dem aktuellen Bezug wirft das Buch viele Fragen auf und beschäftigt mich darüber hinaus: Selbstbestimmung im Leben und Sterben ist in dem Buch, das anstrengende Streben nach Glück, die fehlende Planbarkeit und damit verbunden Orientierungslosigkeit

„Wer weiß, was im nächsten Jahr sein wird“, sagte Kiki….

Wir wissen es nicht, genauso wenig wie die Protagonistinnen und machen weiter.