Rezension

Gespenstisch körperlos!

Wir Gespenster -

Wir Gespenster
von Michael Kumpfmüller

Bewertet mit 4 Sternen

Leise erinnerte ich mich an die Diskussionen um "Mischa und der Meister", hatte das Buch auf der Wunschliste, wo es unter ungeklärten Umständen und unbesorgt wieder verschwand, doch mit "Wir Gespenster" aus dem Hause Kiepenheuer und Witsch hatte ich jetzt die Gelegenheit den Autoren endlich kennenzulernen. Auch das Setting, eine Frau schaut auf ihren eigenen leblosen Körper und kann sich an nichts, noch nicht einmal an ihren Namen erinnern, schien mir vielversprechend. Begeisterte mich doch erst vor kurzem ein ähnliches Szenario in der Zwischenwelt von Leben und Tod und die ungeahnten Möglichkeiten, das eigene Ableben noch einmal in Ruhe betrachten zu können, vielleicht sogar noch ein paar Dinge geregelt zu bekommen, aber zumindest bewusst entscheiden zu können, auf welche Seite man sich schlagen möchte.
Dinge bekommt Lilli nicht mehr wirklich geregelt, denn sie hat alles komplett vergessen, wer sie ist, was sie an diesem Morgen in einem auffallend roten Kleid im Wald wollte und warum sie nun tot am Boden liegt. Aber sie kann sehen und hören. Nach kurzer Zeit scheint sich dieses Verbrechen auch in der Geisterwelt herumgesprochen zu haben, viele eilen zum Tatort und so lernt sie Andrä kennen. Andrä ist schon seit 10 Jahren ein Gespenst. Er war Kommissar und in dieser Mission nimmt er Lilli in Obhut. Er geht regelmäßig zu seinen Kollegen aufs Präsidium und verfolgt dort die neuesten Ermittlungsergebnisse. Er findet Lillis Namen heraus, ihre Adresse, aber die Suche nach dem Mörder scheint ins Stocken geraten zu sein.

Kumpfmüllers Zwischenwelt ist für die Gespenster eine Herausforderung. Sie können selbst keine Türen öffnen, keine Wände durchschreiten, keine Verkehrsmittel bewegen, keine Plätze mit den Lebenden teilen. Viele von ihnen wandeln umher, auf der Suche nach Antworten, manche verschwinden irgendwann auf nimmer Wiedersehen. Manchmal schaffen sie es, den Lebenden etwas zuzuflüstern, doch dazu bedarf es der kindlichen Phantasie, emotionaler Belastung, oder einfach nur der Euphorie.

Lilli ist ziellos und lässt sich von Andrä mitziehen, sie sind einander zugeneigt, suchen sich ihre Schlafplätze zusammen und wenden sich auch anderen Suchenden zu, doch die Aufklärung des Mordes gewinnt erst wieder Fahrt, als zufällig ein Zeuge zu ihnen stößt. Dass diese Seele jetzt bei ihnen ist, daran scheint Lilli nicht ganz unschuldig zu sein.

Meine Erwartungen eines körperlosen Detektivgespanns, das sich einmischt, oder wenigstens für ein wenig Durcheinander sorgt, hat sich nicht erfüllt. Die Verbrecherjagd, die dann doch auf eine sehr substanzlose Weise stattfand, stand nicht im Mittelpunkt, sondern wurde vom Wesen dieses ätherischen Zwischenreichs, den Möglichkeiten und den Prioritäten der Dahingeschiedenen verdrängt.

Letztendlich "ist es etwas ganz anderes, das am Ende wichtig ist", es wird sogar im Rückentext explizit erwähnt, unterstützt vom Paar auf dem Cover, das weder Mund noch Nase, dafür aber Augen und Ohren hat, doch hat sich mir diese Botschaft leider nicht erschlossen. Natürlich ist es nicht wichtig, wie wir aussehen, was wir für Kleidung tragen, was wir im Leben anstellen, aber wenigstens den Sinn des Lebens schlechthin hätte mir Kumpfmüller lassen können. Einige mögen darin Trost finden, dass alles schließlich egal ist, aber doch hätte ich gern noch einen kleinen Ansporn, trotzdem weiterzumachen, gut gefunden.

Man muss schon in der Stimmung sein, dieses Buch zu genießen, denn in seinem Phlegma gibt es durchaus schöne und nachdenkenswerte Sätze. Doch meine Erwartungen waren gänzlich andere, was mich aber nicht abhält, es nochmal auf einem anderen Weg mit diesem Autor zu versuchen.

Kommentare

wandagreen kommentierte am 11. September 2024 um 18:21

Meinst du Die sieben Monde des Maali Almeida?

Emswashed kommentierte am 12. September 2024 um 09:17

Si, si!