Rezension

Gibt gute Denkanstöße

Meine Oma lässt grüßen und sagt, es tut ihr leid
von Fredrik Backman

Dieses Buch verbindet die Märchenwelt des "Landes-Fast-Noch-Wach" mit der Realität und öffnet die Augen für Menschenschicksale - hat aber seine Längen. Dennoch lesenswerten mit tollen, zitierenswerten Textstellen.

Nach seinem 2012 erschienen Debütroman „Ein Mann namens Ove“ kam im September 2015 Fredrik Backmans jüngeres Werk "Oma lässt grüßen und sagt, es tut ihr leid" auf Deutsch, in die Buchläden. Hierbei handelt es sich um eine Art modernes Märchen in Romanformat. Bereits das Cover verrät, dass die Protagonistin diesmal ein kleines Mädchen ist und erinnert in der Aufmachung stark an „Ove“, weil der Protagonist wieder von hinten zu sehen ist.

Die zwar äußerst intelligente, aber ein wenig eigenwillige fast achtjährige Elsa hat leider keine Freunde. Daher ist ihre Oma eine ihrer wichtigsten Bezugspersonen. Die Großmutter entführt Elsa regelmäßig in eine teilweise selbsterfundene, teilweise „entliehene“ Märchenwelt, um sie von der harten Realität abzulenken, aber gleichzeitig mutig und stark zu machen. Denn in dem „Land-Fast-Noch-Wach“, in das die beiden immer wieder gemeinsam reisen, ist es sehr positiv anders zu sein.

 

»Nur Menschen, die anders sind, verändern die Welt, wer normal ist, bewegt kein Fünkchen.«

 

Hier ist die Fantasie und Andersartigkeit das Wichtigste. Neben der Märchenwelt lässt Oma sich allerlei Schabernack einfallen, mit der sie so manche peinliche Situation für Elsas Mutter kreiert. Sie ist Elsas Superheldin.

»Alle Siebenjährigen haben Superhelden verdient. So ist das einfach. Und wer anderer Meinung ist, der ist ein bisschen blöd im Kopf.«

 

Doch mehr oder weniger plötzlich stirbt die Oma und Elsa hat einen Auftrag von ihr erhalten. Sie soll einen Brief innerhalb der Hausgemeinschaft zustellen. Die Zustellung dieses Briefes kostet sie einige Überwindung. Nach und nach erhält sie ein um den anderen Brief, den sie  immer einem anderen Mitglied in der besagten, leicht skurrilen Hausgemeinschaft zustellen soll. Hierbei wird Stück um Stück ein Bezug zu den Märchenfiguren erkennbar. Die Frage ist nur, welche Rolle sie, Elsa, die in den Märchen ihrer Oma immer ein Ritter war, einnehmen wird. Eines aber ist sicher, ihre Oma möchte – trotz einiger Nickeligkeiten, dass sie und die Bewohner glücklich weiterleben und Elsa ihre große Trauer überwindet.

 

»Und genau das ist Miploris: ein Königreich, in das einsame Märchenerzähler aus allen Himmelsrichtungen langsam angewandert kommen, im Schlepptau jede Menge Gepäck voller Trauer. Ein Ort wo man es abstellen kann, um sich wieder dem Leben zuzuwenden.«

 

 Da ich so viel Gutes von "Ein Mann namens Ove" gehört hatte, waren meine Erwartungen an das neue Buch sehr hoch. Die Idee der Geschichte und die besonderen Charakter der Oma, der Elsa sowie einiger anderer Hausbewohner gefallen mir grundsätzlich auch sehr gut. Wobei ich anmerken muss, dass die sehr intelligente "fast Achtjährige", zwangsläufig etwas altklug und vorlaut „rüber kommt“. Das ist sicherlich nicht nach jedermanns Geschmack.

»Oma meint, dass Leute, die langsam denken, immer denen, die schnell denken, vorwerfen, sie hätten Konzentrationsprobleme. "Idioten kapieren einfach nicht, dass Nicht-Idioten mit einem Gedanken schon fertig und beim nächsten Gedanken angekommen sein können, bevor sie selbst so weit sind.«

 

Der Schreibstil mit seinen weitgehend einfachen Satzstrukturen und vielen Wiederholungen, der sich offensichtlich am jungen Alter der Protagonistin zu orientieren scheint, erinnerte mich sehr stark an die Sachfilme der Sendung mit der Maus. Auf Dauer – das Buch hat immerhin über 450 Seiten -  ist dieser Schreibstil ein wenig anstrengend und man muss bereit sein, sich darauf einzulassen. Ebenso die stellenweise ein wenig zusammenhanglosen Ausflüge in die Märchenwelt - vor allem in der Mitte des Buches -, die dort für mich ein wenig „im luftleeren Raum stehen“, weil der Bezug zur realen Welt sich erst allmählich nach hinten heraus klärt, erfordern einen langen Atem. Auch die Handlung ist hier nicht wirklich fesselnd.

Stellenweise erinnerte mich die Story an Michael Endes „Unendliche Geschichte“. Wobei es in diesem „Märchen“ letztendlich nicht um die Märchenwesen, sondern um echte Menschen geht, deren Schicksal nur in die Märchenwelt übertragen wurde und die oft Schlimmes erlebt haben.

Das Buch lebt für mich vor allem von seinen vielen schönen zitierenswerten Weisheiten, von den leisen Hinweisen auf schicksalsgeprägte Verhaltensweisen, Außenseiter, Angst, Trauer und  die menschliche Vielfalt sowie den besonderen Charakteren, die das Haus besiedeln und sich sehr einprägen. Allen voran Britt-Marie, die pedantische Nervensäge, die man erstaunlicherweise am Ende lieb gewinnt.

»Denn nicht alle Monster sind von Anfang an Monster, einige von ihnen sind durch ihre Traurigkeit zu Monstern geworden.«

Mein Fazit.

Das Buch ist lesenswert, denn es enthält viele schöne zitierenswerte Stellen, wertvolle Denkanstöße und Lebensweisheiten. Es öffnet den Blick dafür, dass Menschen nicht immer das sind, was sie zu sein scheinen oder vorgeben zu sein. Es ist ein wunderbarer Appell für den Blick hinter die Kulissen und lässt mich das Zitat des berühmten kleinen Prinzen denken: „Der Mensch sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.“ Aber man muss vor allem für den etwas zähen Mittelteil Geduld mitbringen.