Rezension

Glück durch Mutterschaft ?

Glück -

Glück
von Jackie Thomae

Bewertet mit 4 Sternen

Ist das weibliche Lebensglück davon abhängig, ob eine Frau im Laufe ihres Lebens Kinder bekommt ? Diese Frage stellen sich in diesem Roman die mit Ende dreißig noch kinderlose Marie Claire Sturm und Anahita Martini.

Beide Frauen sind alleinstehend und aufgrund ihrer Karrieren als erfolgreiche Radiomoderatorin ( Marie Claire ) bzw. als prominente Berliner Senatorin für Bildung und Familie ( Anahita ) finanziell gut situiert. Sie wohnen in schönen Wohnungen, sind gewandet in teure, erlesene Garderobe, speisen in guten Restaurants, kurz gesagt, sie führen ein privilegiertes Leben, von dem "normale" Menschen nur träumen können. Was zum Glück fehlt, ist, zumal die biologische Uhr bei beiden tickt, ein Kind und der für die Zeugung erforderliche Partner.

Warum nun die Kinderfrage ? Ist es der gesellschaftliche Druck seitens Kollegen, Freunden und/oder Familie ? Ist es ein tief sitzender Wunsch nach Reproduktion, nach Weitergabe der eigenen Gene ? Marie Claire und Anahita, beide attraktiv, intelligent, scheinbar selbstbewußte, moderne Frauen, hadern jedenfalls mit ihrem "Schicksal", mit fast vierzig weder Mann noch Kinder zu haben und das über viele Seiten des Romans. Eine langatmige Nabelschau zweier gesunder, wohlhabender Frauen, die sonst keine Probleme haben.

Dennoch habe ich den Roman gern gelesen. Zum Einen, weil die Protagonistinnen eine gewisse Entwicklung in der Wahrnehmung und Akzeptanz ihrer Lebenssituation durchmachen. Der Roman erstreckt sich über mehrere Jahre, am Ende sind die beiden ca. Mitte vierzig. Sie selbst und ihr Umfeld ändern sich, wie das Leben so spielt. Die Familien von Marie Claire und Anahita, als da wären Eltern, Großeltern, Geschwister, Neffen und Nichten sind gut ausgearbeitete Nebencharaktere, ebenso wie Freunde und die höchst amüsant beschriebene Gynäkologin Frau Dr. Nonnenmacher, bei der beide Patientin sind, und deren Familie ebenfalls beschrieben wird.

Zum Anderen ist der Schreibstil der Autorin sehr amüsant. Etwa die äußerst witzigen Beschreibungen eines Ärztekongresses über die medikamentöse Verlängerung der weiblichen Fruchtbarkeit über die Wechseljahre hinaus unter der Ägide von Frau Dr. Nonnenmacher. Oder ein esoterisch angehauchtes Retreat auf einer griechischen Insel zur Verarbeitung von unerfülltem Kinderwunsch. Viele Dialoge sind einfach herrlich wiedergegeben, entlarven sie doch so manche gesellschaftliche Fehlentwicklung und Allgemeinphrasen, ich konnte mir das Lachen oft kaum verkneifen. Insbesondere die Geschichte der in Frankfurt wohnenden Schwester von Marie Claire, die vom ehemaligen Mitbewohner ihrer einstigen Wohngemeinschaft quasi vor die Tür ihrer eigenen Wohnung gesetzt wird, war bitterkomisch zu lesen.

Schade nur, dass sich der Roman ansonsten in einem gesellschaftlichen Milieu abspielt, in dem Geld keine Rolle spielt. "Normalverdienerinnen" Anfang vierzig, die unter ihrer Kinderlosigkeit leiden, werden für die hier beschriebene Art der weiblichen Selbstverwirklichung mangels eigener finanzieller Möglichkeiten, ein Kind durch teure Kinderwunschbehandlung zu bekommen und sodann mangels Kitaplatz aufziehen zu müssen, wenig Verständnis aufbringen.

Dennoch, trotz Längen und m. E. teilweise recht überkandidelt erscheinender Superkarrierefrauen ein sehr unterhaltsamer, witzig geschriebener Roman. Ich vergebe vier Sterne und eine Leseempfehlung.