Goldgrube virtuelle Welt, das Schicksal unserer Meere und zwei Aufsteigerkarrieren
Bewertet mit 5 Sternen
Seine Geschichte der Jungen Todd Keane und Rafi Young aus dem mittleren Westen der USA und der Inselbewohner von Makatea in Französisch-Polynesien entwickelt Richard Powers wie eine Kerze, die an beiden Seiten brennt. Powers Figuren bewegen sich zwar aufeinander zu; wie genau die Verbindung zwischen ihnen entstand, wird jedoch erst in letzter Minute gelüftet. Todd und Rafi verbindet eine beinahe fanatische Begeisterung für die unendlichen Möglichkeiten des Go-Spiels. Rafi wird von seinem Vater, einem Schwarzen Feuerwehrmann, gedrillt, seine Intelligenz im Kampf für die Rechte der Schwarzen einzusetzen. Rafis Erleben, dass er nie genug wissen und vor allem nie mit privilegierten Weißen mithalten können wird, lässt ihn später ausbrennen und als Lehrer der wenigen Schüler von Makatea landen. Todd, von seinem dominanten Vater als Schachgegner dressiert, kann schon früh nur atmen, wenn er sich vor dem äußeren Druck in die Unterwasserwelt wegträumt. Die Anregung dazu erhält er durch das Buch der Unterwasserforscherin und erfahrenen Taucherin Evelyne Beaulieu, die (fast 40 Jahre vor den spielfanatischen Jungen geboren) die klassische Karriere einer Frau erkämpft, für deren Begabung die Zeit noch nicht reif ist.
Zu Powers‘ Figuren, deren Wege sich tausende von Kilometern entfernt vom nächsten Kontinent auf der Pazifikinsel kreuzen werden, gehört u. a. die Künstlerin Ina Aroita, die Skulpturen aus Plastikmüll anfertigt und zuvor US-typisch auf diversen Militärstützpunkten aufwuchs, auf denen ihre Eltern dienten. Die von Fremden ausgebeutete und praktisch durchlöcherte Insel soll in der Gegenwart wieder Ziel einer angeblich genialen Investitions-Idee sein – doch darüber wird eine Volksabstimmung stattfinden.
Powers verknüpft das Schicksal der Meere und seiner Bewohner unter Wasser mit einer Welt, in der in virtuellen Räumen unvorstellbar hohe Profite durch den Handel mit Userdaten eingefahren werden. Er blickt mit wechselndem Focus auf Figuren aus drei Generationen, von denen eine als Icherzähler wie in einem Countdown mit schwindenden mentalen Fähigkeiten konfrontiert ist. Anstatt die Fäden zu entwirren, die seine Figuren und deren Künstliche Intelligenz verbinden, sät Powers aus meiner Sicht jedoch zunehmend Zweifel daran, ob die Dinge so passiert sein können, wie ich angenommen hatte, oder ob nicht auch Mensch und Maschine miteinander kommunizieren. Neben der dominierenden Frage nach dem Überleben unseres Planeten geht es in Powers‘ Roman um nicht weniger als um Werte der Weltgemeinschaft, Elternschaft, Aufstieg und Entwurzelung, Folgen von Krieg und Kolonialismus, die Rolle von Frauen und Nichtweißen in der Wissenschaft - und das Altern.
Fazit
„Das große Spiel“ konnte mich nicht allein durch die Zeichnung seiner vielen Figuren und den exotischen Schauplatz fesseln, sondern besonders indem die weit ausholende Handlung sich auf Geheimnisse zubewegte, die bis zuletzt gewahrt blieben.