Rezension

Großartige Geschichte mit wichtigem Thema

Jamil - Zerrissene Seele - Farina de Waard

Jamil - Zerrissene Seele
von Farina de Waard

Bewertet mit 5 Sternen

Nach einem Angriff auf ihre Handelsstadt Kas’Tiel bleibt Jamil und seiner Familie nichts anderes übrig, als mit einer handvoll Überlebender mit einem Schiff zu fliehen. Tagelang reisen sie mit den restlichen Überlebenden durch fremde Gewässer und suchen nach einer neuen Heimat. Kurz vor dem Verdursten und Verhungern gelingt es den Stadtbewohnern an Land zu gehen. Hier wollen sie eine neue Heimat aufbauen und Jamil wird von seinem Vater fortgeschickt, das Land um ihre neue Heimat zu erkunden. Doch Jamil kommt nicht weit, als er heimtückisch überfallen und von vielen Pfeilen durchbohrt wird. Waren es die Einheimischen, die nicht weit von dem Ort der Stadtbewohner ihr Dorf haben? Und warum ist Jamil bei dem Sturz über die Klippen nicht ums Leben gekommen?
Meine Meinung
Dieses Cover ist absolut wundervoll und es passt perfekt zu dem Inhalt der Geschichte. Es macht neugierig und verlockt dazu, das Buch in näheren Augenschein zu nehmen.
Auch der Einstieg in die Geschichte, bei dem die Autorin Farina de Waard den Leser umgehend ins Geschehen wirft, fällt leicht und fesselt sofort an diese. Was mir aber besonders gut gefallen hat, ist der Schreibstil der Autorin, der sich nicht nur leicht und flüssig lesen, sondern auch mit viel Liebe zum Detail Bilder und Personen lebendig werden lässt.
Dabei geht es nach dem sehr spannenden und rasanten Einstieg und dem Überfall auf Jamil erst einmal ruhiger weiter. Doch auch wenn es auf dem ersten Blick ruhiger erscheint, wird es nicht langweilig, denn die Autorin konzentriert sich hier zunächst auf den Protagonisten Jamil. Mit sehr viel Gefühl arbeitet sie heraus, wie er es schaffte zu überleben, wie er und Ashanee, eine junge Frau und Jägerin der Askari, den Einwohnern des Dorfes, langsam beginnen, einander kennenzulernen und auch zu vertrauen.
Ich hatte hier immer das Bild vor Augen, wie Menschen des Mittelalters aus Europa auf die Indianer treffen. Beide Seiten sind tief in ihrem Glauben verankert, es fällt schwer, den Blick auf das Fremde zu richten und zu vertrauen. Dieser Konflikt, der sich hier durch das Aufeinandertreffen der unterschiedlichen Kulturen ergibt, kann man auch sehr gut auf unsere Zeit projizieren und dazu fällt mir nur ein: der Mensch hat sich bisher noch nie geändert. All das arbeitet de Waard mit viel Gefühl heraus, baut dies alles mit ein wenig Fantasy aus und doch scheint es so greifbar, als wäre dies wirklich einmal geschehen.
Aus verschiedenen Perspektiven erfährt der Leser von den Ereignissen, wir erleben Jamils Zerrissenheit ganz nah und direkt, lernen aber auch Ashanee, genannt Asha, kennen. Doch nicht nur diese beiden Protagonisten werden genau gezeichnet, sondern wir erleben auch, was in den Dörfern der Beiden geschieht. Alles in allem erhält der Leser einen klaren und genauen Überblick über die Ursachen der Konflikte zwischen den Menschen.
Ganz besonders herausgearbeitet sind hier die Charaktere, von denen mir sowohl Jamil als auch Ashanee sofort ans Herz wuchsen. Jamil ist ein sehr großherziger, junger Mann, bei dem ich regelrecht mitgelitten habe und dem ich auch sehr gerne geholfen hätte. Er kämpft nicht nur ums Überleben, was ihm durch die Bewohner seiner eigenen Heimat schon schwer gemacht wird, sondern muss auch mit dem Dämon in ihm kämpfen. Zerrissene Seele passt hier so perfekt zu ihm. Auch Ashanee hat mir sehr gut gefallen, sie ist nicht gleich die naive Schönheit, sondern braucht Zeit, um sich Jamil zu nähern. Ihr gesamtes Verhalten ist glaubwürdig und gut umgesetzt. Auch die Nebencharaktere der Geschichte bekommen sehr viel Leben, so dass man hier sehr schnell ein Gefühl für beide Kulturen und deren Glauben und Aberglauben erhält.
Mein Fazit
Ein sehr ungewöhnliches Buch mit einer Geschichte, die man wohl immer auf die Menschen anwenden kann und zur Zeit wohl auch sehr gut zur aktuellen Lage in unserem Land passt. Egal zu welcher Zeit die Menschen leben, es werden immer Konflikte zwischen ihnen entstehen, weil sie nicht in der Lage sind, sich offen mit Unbekanntem und Fremden auseinanderzusetzen. Mit viel Liebe zum Detail werden Situationen, Personen, aber auch Gefühle beschrieben. Dabei wird die Geschichte so lebendig erzählt, dass man das Buch nur schwer zur Seite legen kann. Wer aussergewöhnliche Fantasygeschichten mag, sollte unbedingt zu Jamil greifen.