Rezension

Großartiger Roman auf zwei Zeitebenen

Der Verrat von Oyster Shore -

Der Verrat von Oyster Shore
von Ruth Saberton

Bewertet mit 5 Sternen

Die Rahmenhandlung des Romans spielt in der Gegenwart. Nach einer geplatzten Verlobung geht Lowenna nach Cornwall, um einen Neuanfang zu wagen, denn sie weiß, dass ihre Großeltern in dieser Gegend lebten. Hier möchte sie zur Ruhe kommen und ein Buch schreiben. In Oyster Shore angekommen, wo sie das alte Bootshaus gemietet hat, lernt sie den Australier Noah kennen. Wie Lowenna, so hat auch er Wurzeln in Cornwall. Er hat seiner verstorbenen Mutter versprochen, ihre Recherchen fortzuführen. Gemeinsam stellen er und Lowenna Nachforschungen an und erkennen, dass sie mehr verbindet als sie glaubten.

Die Geschichte führt uns hundert Jahre zurück. 1904 treffen Marrick und Ned, zwei Jungen aus dem Dorf, auf den hochnäsigen Gerald und helfen ihm aus der Patsche. Es entsteht eine Freundschaft, die leider sehr einseitig ist, denn Marrick zieht sich zurück, und während der hilfsbereite Ned in allem und jedem das Gute sieht, ist Gerald ein sehr egoistischer, missgünstiger Junge, was wohl daran liegt, dass er zwar aus reichem Hause stammt, aber nie wirklich Zuneigung erfahren hat. Als die rothaarige Madalyn auftaucht, verlieben sich beide in das außergewöhnliche Mädchen. Der 1. Weltkrieg reißt die Freunde auseinander und verändert das Leben aller grundlegend. Dabei ist auch ein schrecklicher Verrat im Spiel.

Auch der neueste Roman von Ruth Saberton hat mich wieder begeistert und mitgerissen. Sie hat eine wunderbare Art, Stimmungen und Landschaften zu beschreiben, und ihre Charaktere sind alle sehr detailliert dargestellt. Man kann sich so richtig in die Situationen hineinversetzen, und ihre Geschichten haben auch immer etwas Geheimnisvolles, Mystisches, als würde die Grenze zur Vergangenheit durchlässig werden.

Die beiden Zeitebenen des Romans halten sich ungefähr die Waage. Während die ersten sechzehn Kapitel in der Gegenwart spielen und man Lowenna und Noah begleitet, schließen sich dann sechzehn Kapitel über die Vergangenheit an. Vor allem dieser historische Erzählstrang war sehr berührend und aufwühlend, und man erlebt beim Lesen so manche Überraschung und Wendung in der Geschichte. In den letzten Kapiteln folgt ein schneller Wechsel zwischen den Zeiten, so dass sich zuletzt alles aufklärt. Es ist ein mitreißender, sehr emotionaler Roman, der zum einen die Schönheiten Cornwalls darstellt, aber auch nicht vor den Schrecken des Krieges Halt macht.

So nach und nach wird auch klar, wer der Mönch aus dem Prolog ist, der im Sterben liegt und anscheinend große Schuld auf sich geladen hat.

Bei Lowennas und Noahs Nachforschungen treffen wir auch auf einen Protagonisten aus einem früheren Roman der Autorin, denn Lowenna fährt nach Rosecraddick, um den Historiker Matt zu treffen, der sich intensiv mit dem Dichter Kit Rivers beschäftigt hat, denn Kit lebte zur gleichen Zeit wie Ned, Gerald und Madalyn und hatte auch Kontakte zu ihnen. Solche Querverbindungen mag ich immer sehr gerne,denn ich finde, sie machen einen Roman noch lebendiger und glaubhafter. Die Autorin lebt in Cornwall, und all ihre bisherigen Romane spielen ebenfalls in diesem faszinierenden Landstrich.