Rezension

Große Schwächen nach einem guten Start

Nr. 799 - Yuna Stern

Nr. 799
von Yuna Stern

Bewertet mit 2 Sternen

Neuer Job statt Licht und Frieden

„Nr. 799“ ist die zweite Veröffentlichung von Yuna Stern. Mit seinen 132 Seiten ist dieses E-Book recht kurz und eigentlich kaum Roman zu nennen. Auch vom Aufbau her erinnert es vielmehr an eine etwas zu lang geratene Kurzgeschichte. Nr. 799 alias Hanna erwacht an einem ihr unbekannten Ort, umringt von fremden Menschen, die merkwürdig sprechen und seltsame Experimente an ihr durchzuführen scheinen. Kurz nach Erwachen wird ihr mitgeteilt, dass sie tot ist und in einer Art Ausbildungszentrum für neue „Seelenüberführer“ gelandet ist. Sie soll also dazu ausgebildet werden, Verstorbene ins Licht zu begleiten. Allerdings ist alles um sie herum – besonders das Personal dieser „Anstalt“ – doch recht ungewöhnlich. Zudem verfolgen sie Erinnerungen an ihr vergangenes Leben.

Einer verrückter als der andere

Gemeinsam mit Hanna ergründet der Leser diesen seltsamen Ort. Da die Geschichte als Ich-Erzählung aus Hannas Sicht geschrieben ist, ist man an diese Figur gebunden und weiß nie mehr als sie. An sich ist die Wahl dieser Perspektive für ein solches Szenario sehr passend. Leider empfand ich Hanna jedoch als nicht besonders sympathisch. Sie erschien mir sehr sprunghaft, mal sarkastisch, mal sehr mitfühlend, dann flippt sie wieder vollkommen aus. Erklären könnte man dies damit, dass Nr. 799 von Hannas Erinnerungen heimgesucht wird und damit vielleicht keine Stabilität besitzt. Für mich konnte so aber einfach keine richtige Persönlichkeit geschaffen werden, auf die ich mich einlassen konnte. Ebenso sprunghaft wie die Protagonistin sind auch die Personen um sie herum – sprich das Personal der Anstalt. Hier ist einer verrückter als der andere. Eigentlich auch eine gute Idee, leider kann man sich hierdurch auf gar nichts verlassen. Die Protagonistin müsste der Ankerpunkt der Geschichte sein, da sie diese Aufgabe verfehlt, verschwimmt alles in einem wirren Mischmasch, bei dem man gar nicht mehr weiß, was ernst gemeint ist und was Humor sein soll.

Ein Konstrukt auf tönernen Füßen

Wie sich im Klappentext ablesen lässt, soll Hanna in Nr. 800 alias David nun einen Helfer finden, in den sie sich logischerweise verlieben soll. Das Problem hier ist, dass diese Verbandelung der beiden Charaktere sich nicht entwickelt, sondern einfach plötzlich da ist. Sie treffen sich, sind sich sympathisch und dann geht es im ganzen ersten Teil des Buchs erst mal um etwas anderes, nämlich die Beziehung von Hanna und dem kleinen Mädchen Mia, sowie darum, Merkwürdiges in dieser Anstalt aufzudecken, nebenbei gewürzt mit Hannas Erinnerungen. Leider dümpelt dieser Teil so vor sich hin, ist eher langatmig und verwirrend als spannend. Schade, dass dann auch noch plötzlich diese unendlich großartige Liebe vom Himmel fällt, die dann zwei Seiten später aber gleich wieder ausgelöscht wird. Man ahnt es: Leider ist der Plot einfach nicht stimmig. Es gibt keine Entwicklung – weder in der Handlung noch bei den Figuren –, sondern plötzlich ist etwas da und dann gleich wieder weg. Kurz vor Ende wird es doch noch spannend und die Auflösung ist durchaus interessant. Doch auch hier leidet die Geschichte darunter, dass sie im Vorfeld so schwach konstruiert wurde. Vieles wird von Hanna einfach nicht hinterfragt bzw. ihr Hinterfragen bleibt komplett ergebnislos, sodass man als Leser auch keine Chance hat, mehr zu erfahren. Eine so unwissende Figur zum Protagonisten zu erklären, hat einen sehr großen Reiz und kann viel Spannung erzeugen, allerdings fehlt Nr. 799/Hanna das Entscheidende bei so einer Konstruktion: Sie ist nicht in der Lage, Zusammenhänge aufzudecken, und so erschließt sich dem Leser am Ende zwar die Grundidee hinter der Geschichte, alles andere bleibt aber ungeklärt.

Fazit: Der Beginn von Yuna Sterns Roman „Nr. 799“ ist ebenso fesselnd wie der Schluss. Leider schwächelt das Buch nach einem guten Start doch sehr: Zu den Figuren bleibt immer eine starke Distanz bestehen, ein Mitfühlen bleibt aus. Auch die Handlung kann nicht fesseln, ist verwirrend und ungereimt. Alles in allem bleibt man als Leser unbefriedigt zurück – so als hätte Sherlock Holmes nur den Mörder genannt, aber sämtliche Erklärungen weggelassen.