Rezension

Gut mit einigen Schwächen

Selection - Kiera Cass

Selection
von Kiera Cass

Inhalt:
Amerika in der Zukunft: America Singer lebt in einer Welt geprägt von Gewalt, Politik und verschiedenen Kasten. Doch dann sieht sie ihre Chance, der Armut zu entfliehen, denn der Prinz von Illéa sucht eine Frau und lädt dazu 35 junge Frauen in seinen Palast ein. Als America ausgewählt wird, sollte sie eigentlich glücklich sein. Wäre da nicht Aspen, ihre heimliche Liebe.

Meine Meinung:
„Selection“ ist der erste Teil in Kiera Cass‘ Trilogie rund um America, Maxon, Aspen und ihre dystopische Welt Illéa.
Man hat in diesem ersten Band die Chance, America und ihr Leben kennenzulernen. Dabei wird sie sehr sympathisch beschrieben, wenn auch oftmals ein wenig zu perfekt. Sie will nicht am Castin teilnehmen, lässt sich jedoch von Anderen Menschen überreden. Sie möchte es immer allen Recht machen zu Anfang und bemüht sich, immer gemocht zu werden, was sie dann doch ein wenig unauthentisch erscheinen lässt. Ich persönlich hätte mir von ihrem Charakter ein wenig mehr Rebellion gewünscht. Dennoch lässt sie als junges Mädchen schon sehr viel Verantwortung auf sich ruhen und zeigt somit, dass sie sehr stark ist. Sie tut, was sie tun muss um ihre Familie zu ernähren und nimmt deswegen auch in Kauf, ihre Gefühle, Ansichten und Gedanken nach außen hin abzuschotten und eine gewisse Rolle zu übernehmen, die ihr von der Gesellschaft auferlegt wird. Dennoch wird im späteren Verlauf der Handlung doch eine Entwicklung in America deutlich. Sie lässt nicht mehr alles über sich ergehen, nimmt sich was sie will und zeigt ihr Temperament, was ja zu Beginn des Buches immer wieder erwähnt wurde, nach dem man jedoch vergeblich gesucht hat.
Die meisten Nebenfiguren, wie ihre Mutter oder die anderen Teilnehmerinnen sind sehr klischeehaft und oberflächlich gestaltet. Ich als Leser wüsste gerne, warum die Intrigantin so handelt, warum die beste Freundin in jeder noch so unwahrscheinlichen Situation zu jedem ( und ich meine wirklich, zu jedem und immer!) nett ist. Natürlich ist es bei so vielen Nebenfiguren nicht möglich, jeder einen komplexen Charakter zu geben, ein wenig mehr Mühe hätte sich die Autorin jedoch schon geben können.
Weiterhin überspringt die Autorin manchmal wichtige Punkte einfach, die für ein Verständnis des Lesers wichtig wären. Zum Beispiel, als America von ihrer Auswahl erfährt. Ihre Reaktion oder Gefühle diesbezüglich werden nicht einmal erwähnt. Stattdessen erfährt man, wie geschäftig doch die Woche danach war, was nicht grade dazu führt, dass man sich als Leser mit der Protagonistin identifizieren kann. Dazu hat man leider erst viel später, im letzten Drittel des Buches wirklich die Chance, wenn America „menschlicher“ wird.
Auch ist der dystopische Anteil in der Geschichte mehr als gering, da man nicht wirklich viel über Illéa und die Welt erfährt. Nur hin und wieder werden dem Leser kleine Häppchen an Informationen zugeworfen, wie etwa geschichtliche Fakten oder ein wenig Politik, was aber nicht reicht, um sich diese dystopische Welt wirklich vorzustellen.
Auf jeden Fall gelungen in „Selection“ sind die Beziehungen, die so gefühlvoll und echt beschrieben werden, dass es gelingt den Leser wirklich zu berühren. Zuerst einmal hätten wir da Aspen. Seine und Americas Liebe ist wirklich so herzzerreißend dargestellt, dass man in ihrer Verzweiflung und Liebe für einander sehr gut mitfühlen kann. Man leidet mit ihnen und hofft bis zum Schluss, dass es doch noch einen Weg für die Beiden gibt.
Doch auch die Beziehung zu Maxon ist sehr realistisch gestaltet worden. Sie beginnt mit Abneigung und entwickelt sich über eine zaghafte Freundschaft hinweg zu etwas, bei dem sich beide nicht sicher sind, was es wirklich ist. Ich mag diese langsame Art der Annäherung, wenn nicht alles auf Teufel komm raus sofort knistern oder sich überschlagen muss, denn leider werden solche Sachen in vielen Büchern meiner Meinung nach viel zu überhetzt.

Wir haben also eine Dreiecksbeziehung, aber keinesfalls eine, wie man sie in jedem zweiten Jugendroman findet. Denn hier gibt es nicht wie eigentlich immer einen Favorit, von dem man schon zu Beginn weiß, dass er sowieso das Rennen machen wird. Wir haben zwei interessante und sehr gute Charaktere, die (wie sollte es auch anders sein) jedes weibliche Leserherz zum schmelzen bringen. Mir als eines dieser Exemplare ging es da natürlich nicht anders, aber ich könnte im Leben nicht sagen, wer hier am Ende das Mädchen bekommt oder wen ich selbst wählen würde. Sie sind einfach beide, naja... zum dahinschmelzen und natürlich total gegensätzlich.

Nach Beendigung des Buches kann man nicht wirklich sagen, was „Selection“ nun eigentlich genau ist. Es will ein romantischer Roman sein, der die momentanen Dating Tv-Shows kritisiert? Dafür fehlt die Kritik. Er will ein romantischer Roman sein, der eine schockierende Dystopie zeigt und uns warnt, wohin unsere momentane Gesellschaft uns führen wird? Dafür fehlt die Dystopie. Was bleibt also übrig? Ein unheimlich unterhaltender und romantischer Jugendroman mit einem wunderschönen Cover, jedoch leider ohne wirklichen Höhepunkt, den man definitiv an Leser weiter empfehlen kann, die nicht zu viel erwarten.
Ich hoffe, man erfährt im zweiten Teil mehr über diese dystopische Welt, da „Selection“ ja schon einige Spekulationen zuließ, wo uns die Handlung von „The Elite“ hinführen wird.