Rezension

Hätte viel mehr sein können, als es ist

Die Chroniken der Meerjungfrau - Der Fluch der Wellen -

Die Chroniken der Meerjungfrau - Der Fluch der Wellen
von Christina Henry

Bewertet mit 3 Sternen

Tolle Protagonistin, aber insgesamt wenig Handlung und kaum Düsternis

Vielen lieben Dank an den penhaligon-Verlag und das Penguin-Randomhouse-Bloggerportal für das Rezensionsexemplar!

Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.

 

Aufmachung:

Die Aufmachung der gesamten Reihe ist wunderschön, darüber brauchen wir gar nicht groß zu reden. Die Details auf dem Schnitt, die Prägung auf dem Cover, die Farbgebung – alles harmonisiert wunderbar und ist noch dazu ein toller Blickfang im Regal!

Zwar finde ich, dass auch dafür 18 € immer noch ein stolzer Preis ist, aber immerhin bekommt man hier dafür dann auch etwas fürs Auge.

 

 

Meine Meinung:

„Die Chroniken der Meerjungfrau“ ist ein Arielle-Retelling, das – laut Klappentext – eher düster ausfallen soll, vielleicht ein bisschen gruselig ist, aber jedenfalls spannend und bedrohlich.

Na ja. Ein Arielle-Retelling ist es auf jeden Fall, der Rest trifft es leider nicht ganz so gut. Versteht mich nicht falsch, „Die Chroniken der Meerjungfrau“ ist immer noch ein gutes Buch, aber insgesamt etwas enttäuschend. Ich denke, wenn man das Ganze etwas anders (etwas weniger dramatisch) einleiten würde, wäre die Enttäuschung nach dem Lesen nicht ganz so groß.

 

 

Der Schreib- bzw. der Erzählstil ist auktorial. Das mag Viele jetzt vielleicht abschrecken – man braucht wirklich eine Weile, bis man sich daran gewöhnt hat – aber irgendwann merkt man es gar nicht mehr. Es passt nämlich auf jeden Fall zur Grundstimmung des Buches!

Trotzdem liegt hier in meinen Augen ein großer Knackpunkt. Normalerweise habe ich nämlich spätestens nach einer kurzen Eingewöhnung mit einem auktorialen Stil keine Probleme mehr, auch wenn ein solcher oft dafür sorgt, dass eine gewisse Grunddistanz gewahrt bleibt.

 

Hier geht das Ganze jedoch über diese „Grunddistanz“ hinaus – die Figuren und auch das Geschehen sind durchweg sehr weit von einem entfernt, man kann keine Bindung aufbauen und ist dann auch entsprechend wenig angefixt.

 

Zwar hat mir Amelia als Protagonistin super gefallen, vor allem weil sie sich in keiner Situation unterbuttern oder veräppeln lässt, und sich immer zu behaupten weiß – selbst im Amerika in der Mitte des 19. Jahrhunderts, als die Frau nicht mehr als ein hübscher Armschmuck für den Mann sein durfte. Als Meerjungfrau kennt Amelia sich in der Menschenwelt kaum bis gar nicht aus, weiß nur wenig um die Gepflogenheiten und Traditionen und ist ständig gezwungen, sich anzupassen, um nicht allzu sehr aufzufallen.

Das schafft sie, ohne dabei ihr Gesicht oder ihr Wesen zu verlieren. Sie ist trotz ihrer Unwissenheit nicht dumm oder naiv, und weiß das auch. Sie kennt ihren Wert und lässt sich nicht von anderen – insbesondere nicht von den Männern – verunsichert. Amelia kontert, sie ist schlau und selbstbewusst. Kurz: Eine tolle Protagonistin!

 

„Verwechseln Sie nicht die Enthüllung meines Körpers mit der Enthüllung meines Herzens. Mein Herz bewahrt seine eigenen Geheimnisse, und sie gehören weder Ihnen noch irgendwem sonst, bloß weil Sie mich mit einem Fischschwanz gesehen haben.“ (S. 174f.)

 

Trotz allem habe ich nicht wirklich mit ihr mitgefühlt. Das liegt zum einen, wie erwähnt, an der Distanz, die der Schreibstil aufbaut, und die man nicht überbrücken kann.

 

Zum anderen liegt es aber auch daran, dass man als Leser merkt, dass sie eigentlich nie wirklich in Gefahr ist und auch sonst nicht groß etwas passiert.

Es wird sich hier größtenteils unterhalten; Amelia verhandelt gut, und man weiß, dass sie sich nicht über den Tisch ziehen lässt. Es fehlt dem Buch schlicht an einer Bedrohung oder einem „Bösewicht“.

Die Figur, die diese Rolle eigentlich einnehmen sollte – P. T. Barnum – ist nämlich lange nicht so furchteinflößend oder bedrohlich, wie es im Klappentext den Anschein hat und wie sich daher auch erhofft. Vielmehr bleibt er, wie auch alle anderen Figuren außer Amelia, sehr blass und eintönig. Das ist schade, da sich so überhaupt keine Spannung aufbaut. Dabei hat er durchaus das Potenzial, viel skrupelloser, viel grausamer zu sein; die Autorin hätte hier durchaus Mut beweisen und ihn (wie auch andere) zu einem Monster machen können, aber das hat sie nicht getan.

 

Mein Rezensionstitel fasst das gut zusammen: „Die Chroniken der Meerjungfrau“ hätte viel mehr sein können, als es letztlich ist.

 

 

Fazit:

Das Buch ist nett für zwischendurch. Es lässt sich angenehm lesen und ist ein interessantes Retelling von Arielle. Viel hat es jedoch nicht zu bieten, vor allem inhaltlich nicht: Plotmäßig passiert kaum etwas und vor allem der „Bösewicht“ ist längst nicht so böse, wie er hätte sein können.

Dadurch wird man beim Lesen etwas enttäuscht, insbesondere da der Klappentext andere Versprechungen macht. Wäre dem nicht so, wäre vielleicht auch die Enttäuschung nicht so groß.

Amelia ist jedoch eine tolle Protagonistin, die ich gerne mochte, wenn ich auch durch die Distanz, die der Schreibstil verursacht, weder zu ihr noch zu anderen Figuren eine richtige Bindung aufbauen konnte.

3/5 Lesehasen.