Rezension

Harte Zeiten für Gasperlmaier

Letzter Knödel -

Letzter Knödel
von Herbert Dutzler

Bewertet mit 4 Sternen

Die große Politik kehrt in Altaussee ein, dem Gasperlmaier wird's ungemütlich und nicht nur die Köchin beißt ins Gras....

„Schön langsam machte Gasperlmaier der Wirbel nervös“. - So beginnt der bereits neunte Band um den Protagonisten Franz Gasperlmaier, seines Zeichens Postenkommandant des 2-Mann-Polizeireviers in seinem Heimatort Altaussee. Kein Freund von Veränderungen und schon gar nicht von allzuviel Trubel, muss der friedfertige Polizist nun erleben, dass in seinem ruhigen Revier die große Politik eingekehrt ist, denn da hat man sich doch wahr und wahrhaftig entschlossen, das Gipfeltreffen zwischen den höchsten Politikern Österreichs und Russlands ausgerechnet hier, im schönen Salzkammergut und ausgerechnet in Aussee stattfinden zu lassen! Sicherheitskräfte und Absperrungen allenthalben, die Presse schwirrt herum und was das Schlimmste ist – da hat man den Gasperlmaier, der am liebsten mit seinem Nachnamen angeredet werden möchte, wie die Leser im Verlauf der Handlung erfahren, doch tatsächlich das Büro beschlagnahmt, sein eigenes Hauptquartier. Hinauskomplimentiert hat man ihn, einfach so! Im Weg ist er dem bedeutenden Major aus der Stadt, der hier seine ebenso bedeutenden Einsätze koordiniert. Wer den zurückhaltenden und gemütlichen Dorfpolizisten aus den vorhergehenden Romanen Herbert Dutzlers kennt weiß, dass das einem wie Gasperlmaier nicht gefallen kann!

Doch hat er schon bald keine Gelegenheit mehr sich zu krämen, findet man doch vor dem Cateringzelt, das da zur Versorgung des Fußvolks, das so ein Gipfel nunmal im Gefolge hat, aufgeschlagen wurde, die Leiche einer Aushilfskraft – erschlagen! Mit einer Bratpfanne, wie es sich in der Küchenzunft gehört, wenn man schon jemanden ins Jenseits befördern möchte. Ablenkung für den wackeren Gasperlmaier – und die perfekte Gelegenheit, die Frau Doktor Kohlross aus dem nahen Liezen herbeizuholen, um endlich wieder einmal mit ihr zusammen ermitteln zu können, oder, wie Gasperlmaier das versteht, ihr die Ermittlungen zu überlassen, während er hinterhertrabt und Zubringerdienste leistet. Im Mittelpunkt mag er halt auch nicht stehen, und Befehle zu erteilen und umtriebig herumzuwuseln ist sein Ding nicht. Wenn er es dann doch tut, wie viel später in einer denkwürdigen Szene des Romans, bleibt einem vor Verblüffung fast die Sprache weg! Für eine Überraschung ist der Gasperlmaier eben immer gut....

Die Frau Doktor bewundert unser menschenfreundlicher Postenkommandant, wie er überhaupt eine Schwäche hat für das weibliche Geschlecht. Ein Genießer ist er, der schon vom Anschauen satt wird, schließlich hat er zu Hause seine langjährige Ehefrau Christine, die nebenbei noch die Schulleiterin am Ort ist. Dass er einmal, wirklich nur ein einziges Mal, schwach geworden ist, wofür ihn die Christine, der er seinen Fehltritt reuevoll gebeichtet hat, büßen lässt, erfährt der Leser gleich zu Anfang. Aber da das zu einer anderen Gasperlmaier-Geschichte gehört, wollen wir es bei dieser Andeutung belassen.

Jedenfalls wird sich der Gasperlmaier hüten, noch einmal in fremden Revieren zu wildern, lässt ihn die Christine doch, wie schon erwähnt, leiden, wahrt sie Distanz zu dem unglücklichen Gemütsmenschen, den sie – Außenansicht! - das Glück hat, ihren Mann nennen zu dürfen. Wenn man so ganz und gar auf Gasperlmaiers Seite ist, wenn er sich, wie auf dem Klappentext zu lesen ist, „erst einmal in dein Herz ermittelt hat“, kann man nicht viel Sympathie empfinden für Christine, die ein wahrer Zerberus ist, ihren Mann gängelt und unaufhörlich maßregelt und ihn wie einen Deppen behandelt. Aber ist der Gasperlmaier denn wirklich ein Depp? Beileibe nicht! Seine vermeintlichen Schwächen, seine Ruhe, Geduld, sein Abwarten und seine Nachdenklichkeit sind in Wahrheit seine größten Stärken! Als Familienmensch geht er für die Seinen durchs Feuer. Danken sie es ihm? Man mag es anzweifeln. Der Sohn ist nicht präsent in der hier zu besprechenden Geschichte, scheint sein Domizil permanent in Kanada aufgeschlagen zu haben. Dafür haben wir das nervige Vergnügen, Tochter Katharina zu begegnen – und wenn man sie sich so ansieht, so weist das verwöhnte Katharinchen verblüffende Verhaltensähnlichkeiten mit ihrer Mutter auf! Eine Zicke ist sie – was mir der Autor verzeihen möge! -, ein Prinzesschen, nach dessen Kopf alles zu gehen hat. Und jetzt taucht sie bei Gasperlmaier auch noch mit ihrer Lebenspartnerin Stefanie auf, einer Journalistin, die im weiteren Verlauf der Handlung noch eine wichtige Rolle spielen wird. Gasperlmaier fällt, derart überrumpelt, aus allen Wolken, fängt sich aber erstaunlich schnell wieder – erstaunlich schnell für die Seinen, nicht aber für die Leser, die ihn und sein butterweiches Herz besser kennen....

Nun gut, verlassen wir die Familie Gasperlmaier für den Moment und wenden uns dem Geschehen zu, dessen Aufklärung nun in den Händen der blitzgescheiten und überdies wohlvernetzten Frau Doktor und natürlich des Postenkommandanten höchstpersönlich liegt. Verzwickt ist die Geschichte allemal, schon gar, als mehr bekannt wird über die Getötete und ihre wahre Identität. Diese stellt vor neue Rätsel und führt zu neuen Theorien. Gibt es eine Verbindung zu der präpotenten und abstoßend-überheblichen Führungsriege einer patriotischen Heimatpartei, deren Gesinnung schon aus dem Namen geschlossen werden kann und die sich just zur Zeit des Politgipfels und des Mordes in einem Altausseer Hotel aufhält? Was haben die Köche Horak und Krummböck mit der Toten zu tun? Und dann gibt es da auch noch einen nicht greifbaren Sicherheitsmann, der in Wirklichkeit ein Undercover-Polizist ist und den man laut Befehl von ganz oben in Ruhe zu lassen hat...

Dem Dauerregen zum Trotz, dem sich die Frau Doktor und der inzwischen schon sehr erschöpfte Gasperlmaier mit seinem ewig knurrenden Magen aussetzen müssen, ermitteln sie nach allen Seiten, alsbald unterstützt von Gasperlmaiers Kollegin vom Posten Altaussee, Manuela, frisch von einer Datenforensik Fortbildung zurückgekehrt und nun begierig, ihr neuerworbenes Wissen anzuwenden und, klar, denn so ist sie nun einmal, damit zu glänzen.

Und an dieser Stelle müssen wir doch wieder zu den Gasperlmaiers zurückkehren, denn in genau deren Wohnzimmer wurde kurzerhand das Hauptquartier der drei eifrig Ermittelnden aufgeschlagen. Hier finden sie sich immer wieder ein, zumeist schlammbesudelt, durchweicht und zum Umfallen müde. Von Gasperlmaiers Hunger gar nicht zu reden! Der Mann braucht halt seine geregelten Mahlzeiten, punktum! Ohne die kann er sich nicht konzentrieren – und sein Schnäpschen braucht er auch, immer mal, zur Stärkung sozusagen, zum Ankurbeln der kleinen grauen Zellen. Muss man sich deswegen etwa Sorgen machen? Nicht doch! Sein 'Zerberus' sorgt schon dafür, dass die Schnäpse nicht überhand nehmen, genauso wie sie seinen Bierkonsum überwacht. Sie selbst trinkt nur Wein – was nicht verwundert bei jemandem wie ihr, die ja schon etwas eingebildet ist und gelegentlich ein unangenehmes High-Society Verhalten an den Tag legt (wieder bitte ich den Autor vorsorglich um Verzeihung!), nicht Gasperlmaiers Bodenhaftung hat. Oder vielleicht doch? Wie gesagt, ich bin parteiisch – und wer meinen Gasperlmaier schikaniert, hat meine Sympathien eingebüßt.

Sei es wie es sei – natürlich wird am Ende das Rätsel um die tote Küchenhilfe, deren letzte Mahlzeit in der Tat ein Knödel war, oder zwei, oder drei, aufgedeckt. Gasperlmaier und seine beiden Kolleginnen lösen den Fall, aber nicht bevor der eher betuliche Krimi erstmals spannend wird, als sich die Ereignisse nach dem Auffinden einer zweiten Leiche und dem Verschwinden der Freundin der Gasperlmaiertochter zwar nicht überschlagen, denn das würde nicht in diese Art von Kriminalroman passen, aber immerhin rasch aufeinanderfolgen. Heitere, komische, skurrile Einlagen und viel Situationskomik sind dabei – wie stets – garantiert.

Na denn Servus, Gasperlmaier, bis zum nächsten Mal. Und, ein Rat von jemandem, dem du am Herzen liegst: lass dir von der Christine nicht die Butter vom Brot nehmen – und gönne dir deine Erholungspausen. Mit mindestens einer schnurrenden Katze auf dem Bauch!