Rezension

Hartes Leben im Dresden des 19. Jahrhunderts

Die Tote im Fechtsaal - Helga Glaesener

Die Tote im Fechtsaal
von Helga Glaesener

Bewertet mit 5 Sternen

1869 Dresden. Als alleinerziehende Mutter eröffnet Annie eine Fechtschule nur für Frauen, um das Auskommen für sich und ihre Tochter zu sichern, was bei ihrem Vermieter nicht gern gesehen ist. Mit Schutzgeldeintreibern hat sie ebenso Probleme wie mit ihrem Umfeld, doch Annie lässt sich so schnell nicht unterbuttern und kämpft mit allen Mitteln. Eines Tages findet sie eine ihrer Schülerinnen ausgerechnet in ihrem Fechtsaal ermordet auf. Die Tote war eine recht bekannte Tänzerin an der Oper. Da Annie nicht viel Vertrauen in die örtliche Polizei hat, für die sie ohne Beweise schnell als Täterin feststeht, engagiert sie den ehemaligen Staatsanwalt Daniel Raabe, der nun als Privatdetektiv arbeitet und neuen Ermittlungsmethoden recht aufgeschlossen gegenübersteht. Mit ihm zusammen macht sie sich auf Spurensuche und schon bald führen Hinweise zur örtlichen Freimaurerloge. Wird es Daniel und Annie gelingen, den Mord aufzuklären?

Helga Glaesener hat mit ihrem Buch „Die Tote im Fechtsaal“ einen sehr unterhaltsamen und spannenden historischen Kriminalroman vorgelegt. Der Schreibstil ist flüssig und zieht den Leser regelrecht in eine vergangene Zeit, in der Frauen kaum eigenen Geschäften und Tätigkeiten nachkommen konnten ohne einen Mann im Rücken. An der Seite von Annie erlebt der Leser, wie es ist, sich dem Kampf gegen Vorurteile und schiefe Blicke zu stellen und dabei sich und sein Kind allein einigermaßen durchzubringen. Kriminelle vermuten leichtes Spiel, handelt es sich doch um ein Weibsbild, um dort ohne eine Gegenleistung abzukassieren. Annie muss sich all diesem stellen und gerät dann auch noch ins Fadenkreuz der Polizei, die sich kaum Mühe gibt, den wahren Täter zu suchen. Eine Frau aus der untersten Schicht kommt für sie genau richtig, um den Fall schnell zu lösen. Glaesener legt den Spannungsbogen genau richtig an und lässt den Leser schnell zum Mitglied des Ermittlungsteams werden. Die Entdeckung neuer erkennungsdienstlicher Methoden wird sehr schön in die Handlung eingewoben und macht die Geschichte umso spannender. Heute ist eine Mordermittlung ohne diese Entdeckungen gar nicht mehr zu denken. Auch den historischen sowie politischen Hintergrund hat die Autorin wunderbar eingeflochten, so dass ein recht authentisches Bild der damaligen Zeit vor dem Auge des Lesers entsteht.

Die Charaktere sind sehr gut ausgearbeitet und mit individuellen Ecken und Kanten versehen. Sie wirken sehr real und lebensecht, so dass sich der Leser gut in sie hineinversetzen kann, um mit ihnen zu fühlen, zu fiebern und zu hoffen. Annie ist eine sympathische Frau, die für sich und ihr Kind hart arbeiten muss, um über die Runden zu kommen. Sie scheut sich nicht, die Ärmel hochzukrempeln, aber sie lässt sich auch nicht die Butter vom Brot nehmen. Sie ist gewitzt, neugierig und lässt sich nichts gefallen, auch wenn die Widerstände manchmal recht groß erscheinen. Daniel Raabe musste schon einen schweren Schicksalsschlag ertragen, denn er verlor Frau und Kind bei einem Brand. Er ist neuen Ermittlungsmethoden gegenüber aufgeschlossen und nutzt diese, um Ergebnisse zu erzielen. Er stammt aus einer Gesellschaftsschicht, die Annie bisher verschlossen geblieben ist. Gerade deshalb sind die Zusammenarbeit der beiden sowie das langsame Annähern umso interessanter. Protagonisten wie der Zwerg Schmitt geben der Handlung zusätzliche Spannung und laden zum Rätseln ein.

„Die Tote im Fechtsaal“ ist ein sehr fesselnder historischer (Kriminal-)Roman, der Geschichte und Spannung wunderbar miteinander vereint. Verdiente Leseempfehlung für unterhaltsame Lesestunden.