Rezension

Mord in Dresden anno 1869

Die Tote im Fechtsaal - Helga Glaesener

Die Tote im Fechtsaal
von Helga Glaesener

Bewertet mit 5 Sternen

„...Wer im Mist geboren wurde, wird nicht im Goldsarg begraben, wie man so schön sagt...“

 

Wir schreiben das Jahr 1869, als Annie Troll in ihrer Fechtschule eine Tote findet. Es handelt sich um die Ballerina Serafina Bischof. Annie vertraut der Polizei nicht und wendet sich an den Detektiv Daniel Raabe. Er untersucht Fußabdrücke am Tatort und setzt auf die Identifizierung mittels Fingerabdrücken.

Die Autorin hat einen spannenden historischen Krimi geschrieben. Die Geschichte hat mich schnell in ihren Bann gezogen. Das liegt nicht zuletzt an den außergewöhnlichen Protagonisten.

Annie ist eine selbstbewusste Frau. Sie verlässt sich meist in erster Linie auf selbst. Es ist nicht einfach, in der damaligen Zeit allein eine Tochter großzuziehen. Nach und nach erfahre ich als Leser, was bisher in Annies Vergangenheit schief gelaufen ist und wie sie die wurde, die sie ist.

Auch Daniel Raabe hat an einem schwierigen Schicksal zu tragen. Das hat ihn zum Eigenbrötler gemacht und seiner Freundschaft mit dem Kriminalinspektor Max Keller schweren Schaden zugeführt.

Der Schriftstil lässt sich angenehm lesen. Er passt sich gekonnt der jeweiligen Situation an.

Neben der Toten im Fechtsaal hat Annie ein weiteres Problem, und nicht nur sie. In Dresden ist ein Mann aufgetaucht, der es im großen Stil mit Schutzgelderpressung versucht. Dabei schreckt er vor handgreiflichen Drohungen und selbst Mord nicht zurück.

Zu den stilistischen Höhepunkten gehören die Gespräche zwischen Daniel und Annie. Hier treffen zwei Menschen aufeinander, die über eine gesunde Portion Misstrauen verfügen, sich nichts schenken und doch einander im gewissen Maße vertrauen. Besonders Annies Kommentare zu einer Theateraufführung haben mich zum Schmunzeln gebracht. Sie zeugen für ihre Lebenserfahrung und guten Beobachtungsgabe. Annies Worte klingen ab und an hart, zeigen aber ihre tiefe Verletzlichkeit, die sie sonst gut verstecken kann:

 

„...Natürlich habe ich Angst. Unsereins kriegt die Angst mit der Muttermilch eingeflößt. Das ist ein Gefühl wie saure Spucke...“

 

Die Tote hatte ein reges Liebesleben. Das macht die Ermittlungen nicht gerade einfach. Gekonnt wird beschrieben, mit welchen Methoden Daniel an die Fingerabdrücke seiner Verdächtigen kommt. Sowohl Polizei als auch Staatsanwaltschaft lehnen das allerdings als Beweismittel ab. Doch auch hier gelingt es Daniel, manch einen zum Nachdenken zu bringen.

Viel Wert legt die Autorin auf die Wiedergabe der Emotionen ihrer Protagonisten. Das geschieht häufiger durch Taten als durch Worte. Beispiele dafür sind Daniels nie versiegte Trauer, Annies Angst um die Tochter, die Kaltblütigkeit des Schutzgelderpresser und die Hinterhältigkeit von Major von Römer. Letzterer strotzt vor Überheblichkeit und glaubt, sich auf Grund seiner Herkunft über alle Regeln hinweg setzen zu können.

Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Ich könnte mir sehr gut eine Fortsetzung vorstellen.