Rezension

Hatte mir mehr Höhepunkte und Spektakuläres erwartet...

Gustav - Wolf Kampmann

Gustav
von Wolf Kampmann

Bewertet mit 3.5 Sternen

Die Geschichte:
Gustav ist am Ende seines bewegten Lebens angekommen, der Tod steht bereits persönlich an Bett des alten Mannes. Doch noch ist Gustav nicht so weit, mit ihm zu gehen. Noch einmal lässt er sein gesamtes Leben Revue passieren und lässt den Leser an seinen Abenteuern teilhaben.

Wir lernen Gustav als Kind kennen, der von seiner großen Schwester unterdrückt wird und sich am liebsten in die Natur flüchtet. Dort ist er glücklich und lernt von einem Schäfer viel Nützliches, um in der Wildnis zu überleben.
Dann beginnt der 2. Weltkrieg und auch Gustav wird in den letzten Kriegsmonaten des Jahres 1945 nicht verschont. Zwar ist er noch kein "richtiger Mann", sondern nur ein Jugendlicher, aber zu dieser Zeit war man bei der Wehrmacht nicht mehr wählerisch.
Gustavs Vater ist es zu verdanken, dass er den Krieg überlebt und nicht - wie seine ganzen Kameraden - den Heldentod auf dem Schlachtfeld stirbt.
Doch Gustav kann einfach nicht dankbar sein: er fühlt sich zeitlebens als Verräter und Deserteur, obwohl sein Vater ihn mehr oder weniger aus der Kaserne entführt hatte, um ihn zu schützen.
Von seinen Schuldgefühlen geplagt, wird Gustav erwachsen, macht Karriere als Theaterschauspieler und Fotograf. Doch nichts kann ihn je wirklich befriedigen, es bleibt immer eine Leere, die er mit mehr oder weniger hanebüchenen Lügengeschichten zu füllen versucht...

Meine Meinung:
Der Schreibstil ist flüssig und angenehm zu lesen. Die Erzählung wechselt die Perspektive kapitelweise: Gustavs Lügengeschichten heben sich nicht nur durch eine andere Schriftform hervor, er erzählt sie auch selbst aus seiner Sicht. Hier greift der Autor auch stellenweise auf eine derb-umgangssprachliche Ausdrucksweise zurück, die ganz gut zur Geschichte passt.

Gustav ist kein uneingeschränkt sympathischer Protagonist, sondern eher eine tragische Figur mit Ecken und Kanten. Positiv an ihm fand ich seine generell etwas menschenfeindliche Einstellung: er zählt eher auf die Treue und Kameradschaft seiner Hunde.

"Über sechzig Jahre in der menschlichen Gesellschaft hatten ihn gelehrt, das angeblich höchstentwickelte Wesen des bekannten Universums mit ganzem Herzen zu verachten. Der Mensch, darüber konnte kein Zweifel bestehen, war ein Ausrutscher der Natur. Allen anderen Gattungen ging es nur ums Überleben und den Fortbestand, der Mensch aber versuchte sich zum Herrn über die Schöpfung und alle anderen Kreaturen zu machen."
Seite 299

Leider bleibt sonst wenig seiner Lebensgeschichte in meiner Erinnerung hängen. Die Kriegszeit war noch sehr unterhaltsam zu lesen und oft auch etwas spannend, doch dann beginnt das Theaterleben. Hier kamen für mich zu wenig Emotionen rüber, was sich auch im weiteren Verlauf nicht mehr groß verbessert hat.

Viele Stationen von Gustavs Leben werden nur kurz angeschnitten, von seinen vielen Kindern erfährt man praktisch erst am Ende. Andere Details dagegen werden zu ausführlich behandelt.

Gustavs Lügengeschichten waren längst nicht so spektakulär wie ich mir erhofft hatte, man liest es und vergisst es auch schnell wieder.
Ob das am Erzählten generell oder am doch recht gleichförmigen Erzählstil liegt, kann ich nicht sagen. Es fehlten mir vor allem in der zweiten Hälfte des Buches die Höhepunkte.

Die Geschichte ist gut durchdacht und natürlich ist es nicht einfach, ein ganzes Menschenleben inklusive Parallel-Fantasieleben in ein relativ kurzes Buch zu packen. Von manchen Themen hätte ich mir mehr gewünscht, von anderen weniger.

Fazit: Ein Buch, das zwar recht unterhaltsam ist, das aber leider ohne großen Nachhall verklingt...

Bewertung: 3,5 Sterne