Rezension

Hesses Alterswerk

Das Glasperlenspiel - Hermann Hesse

Das Glasperlenspiel
von Hermann Hesse

Bewertet mit 5 Sternen

"Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften" - so betitelt Hermann Hesse sein Alterswerk. Es beschreibt das Leben von Josef, der (vermutlich Waise) als begabter junger Schüler an eine Eliteschule in der Provinz Kastalien berufen wird. Hier lebt die Geisteselite des Landes; Wissenschaften und Musik werden auf höchstem Niveau ausgeübt. Und gepflegt wird auch das Glasperlenspiel, ein Spiel, in dem man verschiedenste Ideen zusammenführen, gegenüberstellen und entwickeln kann, vergleichbar mit einem Musikstück, in dem zwei Themen gegen- und miteinander ausgeformt werden. Ein Symbol höchster Geistigkeit, aber auch ein Symbol für die ganze Provinz, die von ihren Mitgliedern nicht nur geistige Leistungen, sondern auch Selbstzucht und Einfügen in einen Orden erwartet. Dieses Leben steht im Gegensatz zur "Welt", in der die Menschen Leidenschaften pflegen, Konkurrenzkämpfe ausfechten, sich verlieben und Kinder haben, himmelhochjauchzend oder zu Tode betrübt sind.

Hesse erzählt nicht nur, er wirft in seinem Buch zentrale Fragen auf. Mit der Gegenüberstellung von Kastalien und der "Welt" fragt er nach der besten aller möglichen Welten - ist Kastalien ein Idealbild oder eine Dystopie? Worauf kommt es im Leben an, wann ist ein Leben geglückt, gelungen, erfüllt? Was ist der Sinn des Lebens? Der Leser muss nicht einfach zwischen beiden Lebensformen entscheiden, es wird deutlich vermittelt, dass beides zusammengehört, dass Yin und Yang einen Ausgleich finden müssen. Und ich als Leser frage mich, ob ich die Balance halte oder nicht (mal wieder) ein Schritt erforderlich ist, der das Gleichgewicht auspendelt.

Ich habe dieses Buch am Ende meiner Schulzeit gelesen, mit dem Blick eines jungen Menschen, der aufbricht in seine Zukunft. Das ist nun über vierzig Jahre her, und ich habe es wieder hervorgeholt. Meine positive Erinnerung hat sich bestätigt: Es ist ein Buch, das den Leser fordert, aber auch viel gibt. Sicherlich habe ich nicht alle philosophischen Tiefen verstanden, aber ich wurde wieder angesprochen und habe Anstöße erhalten.

P.S.: Ich habe eine andere Ausgabe gelesen, aber meine habe ich nicht gefunden. Das Titelbild ist gleich, aber der Anhang sehr viel kürzer. Sei´s drum.

Kommentare

wandagreen kommentierte am 21. April 2019 um 19:47

Welche Ausgabe ist doch wurscht. Schöne Rezi, sogar mit Punkvergabe! So dass ich sie neugierig gelesen habe

Ein schweres Werk. Einerseits. Dem man aber auf alle möglichen Arten etwas abgewinnen kann. Die verbindende Wissenschaft, durch das Glasperlenspiel symbolisiert, so dass Geisteswissenschaft(en)  die forschenden Wissenschafent ergänzt (oder umgekehrt)-  das wäre ein Fach, das ganz dringend eingeführt werden müsste.