Rezension

Historisch gut recherchiertes Buch

Sehet die Sünder - Liv Winterberg

Sehet die Sünder
von Liv Winterberg

Bewertet mit 4.5 Sternen

Wir haben hier drei Gesellschaftsklassen, aus denen die unterschiedlichen Charaktere stammen: Die Bauernschicht wird von Catheline und Mathis vertreten. Die beiden verbindet am Anfang eine leichte Liebesbeziehung, sie sind auch verlobt, doch Mathis löst die Verbindung erst offiziell auf und begeht dann auch noch einen Fehler, den Catheline ihm nicht verzeihen kann und dessen Folgen große Auswirkung auf die gesamte Geschichte haben. Auch die anderen Dorfcharaktere kommen nicht zu kurz, jeder von ihnen erhält ein Gesicht und seinen eigenen Charakter und spielt seine wichtige Rolle in der Geschichte. Die Adeligen sind Amédé, Bérénice und ihrer Schwester Francine. Der Baron und seine Frau leben sich langsam auseinander, er nennt sie nur noch „Mein Täubchen“ und sie selbst ist von seiner Maßlosigkeit und eben dieser Tatsache, dass sie keinen Namen für ihn mehr hat, stellenweise auch angewidert. Doch auch die Geldnot, die Amédé dazu bringt, seine Ländereien zu veräußern treibt einen Keil in die Beziehung. Francine trägt ihren Teil dazu: Als trauernde Witwe ständig in Schwarz gekleidet, unterstützt sie ihren Schwager mit aller Macht und spioniert auch ihre Schwester aus. Und dann gibt es noch die Kleriker: Der Bischof von Nantes beispielsweise, Pfarrer Jeunet, der für Saint Mourelles zuständig ist, und natürlich Julien Lacante. Julien ist Notar und Schreiber des Bischofs und stellt das Bindeglied zwischen allen drei Klassen dar. Er wird von Bischof Gregor du Clergue ausgeschickt, um über die Ländereien zu verhandeln, er ist heimlich in Bérénice verliebt und er ist schließlich dafür zuständig, die Ermittlungen bezüglich der Mordfälle voranzutreiben.
Ich könnte noch viel mehr über die Charaktere schreiben, denn sie sind Liv Winterberg einfach nur hervorragend gelungen. Jeder hat seine Eigenheiten, seine kleinen Macken und auch seine Geheimnisse. Und diese sind so perfekt in die Geschichte integriert worden, dass man als Leser die gesamte Geschichte in einem Rutsch durchlesen kann.
Ihr Schreibstil ist nicht sehr kompliziert, sondern eher einfach und schlicht gehalten, ohne große Schnörkel oder blumige Beschreibung. Und dennoch ist es ihr gelungen, auch gerade die Unterschiede der Klassen in ihrer Sprache deutlich aufzuzeigen. So spricht Gabin, der Tagelöhner, beispielsweise schon deutlich derber als  Mathis, der sich gut ausdrücken kann.
Der Prolog, die eine Seite, die der Geschichte voraus gestellt ist, findet sich im Verlaufe des Buches auch wieder und ist einfach wunderbar eingebaut worden. Ich finde, Frau Winterberg hat hier eine sehr gute Wahl getroffen, um dem Leser einen kleinen Vorgeschmack zu geben, um Spannung aufzubauen. Je weiter die Geschichte voran schreitet, umso mehr fragt man sich, wer denn nun die Frau ist, die im Prolog gejagt wird.
Allgemein sind die Wendungen und Geschehnisse in dem Roman stellenweise nicht voraussehbar und wirklich überraschend. Autoren, die dies schaffen, haben meinen größten Respekt. Der Täter wird zwar in der hinteren Mitte schon bekannt, dennoch schafft es Liv Winterberg, die Spannung bis zum Schluss aufrecht zu erhalten. Und auch die kleineren Geschichten, die sich um den roten Faden, den Hauptstrang herum verbergen, sind in sich geschlossen und doch auch sinnvoll eingebaut, um das Ganze voranzutreiben.
Fazit
Liv Winterberg ist hier ein großartiges Buch gelungen. Die historischen Gegebenheiten sind hervorragend erzählt, die Geschichte spannend bis zum Schluss mit unvorhersehbaren Wendungen. Nicht nur das, ihre Charaktere sind keine 0815-Charaktere, sondern haben alle ihren eigenen Charme, seien sie noch so unwichtig für die Geschichte.
Ein Buch, das ich guten Gewissens empfehlen kann.