Rezension

Hommage an das Alter

Die Dame in Blau - Noëlle Châtelet

Die Dame in Blau
von Noelle Chatelet

Bewertet mit 5 Sternen

„Ernsthafte Dinge muss man manchmal mit Leichtigkeit behandeln“, sagt Noëlle Chȃtelet. Voller Esprit erzählt sie in diesem Büchlein von Mireille, die sich mit 52 Jahren plötzlich dem Diktat von Effizienz und Jugendlichkeit verwehrt.

Nachdem sie im Stadtgewühl über eine ganz in Blau gekleidete alte Dame gestolpert war, veränderte sie sich völlig. Statt sich weiterhin dem Alltagsstress hinzugeben, näherte sie sich der Gemächlichkeit der Dame an und erschreckte damit ihre Freunde.

Sätze wie „Wenn Mireille heute die alten Leute sieht, die Menschen, die viel Zeit haben, dann nur, weil sie deren Gang angenommen hat, einen Gang, dessen Rhythmus ihr bis in die Seele gedrungen ist“ oder „Der brave Soldat, der in ihr steckt und immer gesteckt hat, hat plötzlich Zeit zu desertieren“, haben mich als in die Jahre gekommene Leserin sehr angesprochen.

Aber eigentlich fand ich Mireille viel zu jung, um sich ganz in die Langsamkeit zu verkriechen, sich die Haare zu einem Knoten zu binden und auch ihren Kleidungsstil drastisch zu verändern. Zudem fragte ich mich, wie sie als Alleinstehende ohne Arbeit ihren Lebensunterhalt finanzieren will.

Aber wahrscheinlich war das ein falsches Herangehen an diesen ansprechenden Text, der die Vorteile des Nichtstuns hervorhebt und vor allem für diejenigen, die in der Hektik des Alltags verloren gehen, ein willkommenes Märchen ist. Die französische Autorin selbst war 53 und Präsidentin der Maison des écrivains in Paris, als diese Geschichte 1997 veröffentlicht wurde. Ich kann mir gut vorstellen, dass sie beim Schreiben ihre eigenen Träume nach Entschleunigung verwirklichte.

Kommentare

wandagreen kommentierte am 23. März 2021 um 11:41

ich dagegen könnte ein wenig Beschleunigung gebrauchen. Über Entschleunigungsromane muss ich lachen.