Rezension

Horror vom Feinsten

KIN - Kealan Patrick Burke

KIN
von Kealan Patrick Burke

Bewertet mit 5 Sternen

Verstümmelt, gefoltert, vergewaltigt und gequält entkommt Claire Lambert einem brutalen Alptraum, der ihren drei Freunden das Leben gekostet hat. Ein harmloser Trip hatte die vier jungen Leute direkt in die Fänge einer mordenden Sippe in dem verschlafenen Nest Elkwood/Alabama geführt. Nie zuvor ist einem ihrer Opfer die Flucht gelungen, doch Claire konnte, nicht zuletzt Dank der Hilfe eines Farmers und seines Sohnes Pete, die sie am Straßenrand aufgelesen und zum Dorfarzt brachten, gerettet werden.
Die mordende Familie Merrill setzt alles daran, ihr Werk zu vollenden und Claire´s sichere Rückkehr in die Heimat zu verhindern.

Leseeindruck

Dem geneigten Horrorleser mag das Eingangsszenario und die Grundstory bekannt vorkommen und doch schafft es Kealan Patrick Burke seine Geschichte "anders" zu erzählen. Zunächst einmal rollt er die Geschehnisse von hinten auf, berichtet in Rückblicken wie es zur Ausgangsituation gekommen ist und dies tut er auf eine ganz spezielle Art – er lässt seine Charaktere (teilweise sehr gefühlvoll) in ihrem eigenen Tempo und auf ihre eigene Art sprechen. Dennoch kommen die blutigen und ekligen Szenen nicht zu kurz, nehmen aber eben nicht den größten Raum ein. Der Horror ist hier leiser und spielt sich oft im Seelenleben der Protagonisten ab.
Bereits sein Roman "Seelenhandel" konnte mich so überzeugen, erwartet man doch in diesem Genre keine "große Literatur" im Sinne von Wortgewandtheit und Bildhaftigkeit. Burke belehrt jeden Zweifler eines Besseren, funktioniert diese Kombination doch hervorragend.

"Und so würde sich seine Vorstellung auflösen und die Einsamkeit würde auf ihn wie kaltes Wasser durch Löcher in ein sinkendes Schiff einbrechen."

"(...) und als er sich zwang, sie anzusehen, wurde er überwältigt, nicht nur von ihrer Schönheit, sondern von dem Gefühl, dass sie hinter seine Fassade sah, in das dunkle, turbulente Meer seiner Schuld, so als ob sie es erkannt hätte, weil sie selbst mehr als einmal in jenen Gewässern geschwommen war."

"Wir sind Motten in einem Tötungsglas, Jack. Wenn du den Deckel fest zugeschraubt lässt, werden wir früher oder später sterben. Am besten lässt du uns frei, solange wir noch fliegen können."

Burke ist ein Meister darin, sowohl seine Figuren, als auch Orte und Empfindungen sehr scharf zu umreißen. Seine Charaktere und ihre Persönlichkeiten tragen die Geschichte – fesseln den Leser – mit ihren eigenen Stimmen. Was Burke mit Worten schafft und beim Leser auslöst, ist in meinen Augen nicht nur großartig, sondern auch intensiv und nachhaltig. Seine Romane lassen einen so schnell nicht mehr los.
Die Figuren sind glaubwürdig, tragen sie doch allesamt sowohl gute, als auch schlechte Seiten in sich. Sie durchlaufen Entwicklungsprozesse und wachsen oder scheitern daran, so wie es das Leben mit sich bringt. Der Autor bevorzugt dabei keinen seiner Charaktere, stellt das Böse und das Gute auf dieselbe Bühne und lässt den Leser entscheiden, so er das denn möchte.

Bei allem Lob gibt es nur zwei minimale Anmerkungen meinerseits. So waren einige Handlungsverläufe für mich vorhersehbar, was der Story an sich aber nichts genommen hat (gab es doch auch etliche Wendungen, mit denen ich wiederum gar nicht gerechnet hatte). Und Meckern auf hohem Niveau: Das Lektorat sollte für die nächste Auflage an einigen Stellen nochmal ausbessern, gibt es doch einige Fehler, die den Lesefluss hier und da stören.

Fazit

"KIN" ist mehr als nur 08/15-Horror- oder Splatterliteratur, die sowohl mit der Story selbst, als auch mit seinen Charakteren und dem tollen Schreibstil punkten kann. Burke´s  Erzählkunst macht dieses Buch zu einem intensiven Lesegenuss, den sich niemand entgehen lassen sollte.