Rezension

Humor gegen die Konflikte der Kulturen

funny girl - Anthony McCarten

funny girl
von Anthony McCarten

Bewertet mit 5 Sternen

Azime lebt gemeinsam mit ihren Eltern und Geschwistern in London. Die Eltern, gebürtige kurdische Türken, betreiben ein kleines Möbelgeschäft und engagieren sich in der türkischen Gemeinde im Londoner Süden. Azime fühlt sich im engen familiären Käfig gefangen und findet schließlich über die Komik eine Möglichkeit, sich frei Gehör zu verschaffen. Sie wird der erste weibliche muslimische Stand-up Comedian und tritt (eigentlich um nicht erkannt zu werden) in Burka auf. So polarisierend sie dadurch auf ihr Publikum (das englische sowie das türkische) wirkt, so polarisierend wirkt auch „Funny Girl“ auf den Leser!

Ich habe in den letzten Tagen und Wochen wirklich jedem, der es hören wollte (oder auch nicht hören wollte), von diesem Buch erzählt. Die Geschichte von Azime, die ihren Gedanken und Gefühlen über Comedy Ausdruck verleiht, hat mir unheimlich gut gefallen. Natürlich kann ich selbst nicht einschätzen, wie realistisch die Strukturen in der kurdischen Familie oder der Gemeinde dargestellt werden, kann Themen wie Ehre und gar Ehrenmord nur als Außenstehende aufnehmen. Die Kontraste und die Botschaften, die das Buch aber aus diesen Situationen ableitet, kann ich wiederum gut nachempfinden. Über Komik, so der Autor, wird zwischen den Menschen eine Brücke geschlagen. Indem wir gemeinsam Lachen, sind wir verbunden miteinander im Moment, aber auch mit all jenen, die diesen Humor schon vor uns geteilt haben. Komik vereint und trennt nicht, ruft zu Selbstironie und einem milden Blickwinkel auf unsere Schwächen auf.
Ich bin aus dem Markieren witziger, nachdenklicher und interessanter Textstellen in diesem Buch gar nicht herausgekommen. Manche Witze sind wirklich böse, halten uns einen Spiegel vor oder sind gar kontrovers. Andere sind nett und harmlos, bringen uns zum Schmunzeln und haben das Buch für mich zu einem echten Genuss gemacht. Über die sozialen Medien kam nach einem meiner Posts die Frage auf, ob dies Witze „auf Kosten anderer“ sind, ob es richtig ist darüber zu Lachen. Ob das lustig ist. Natürlich gibt es kein allgemeines empfinden für „lustig“ und ich kann nur dafür sprechen, dass dieses Buch meinen Geschmack getroffen hat. Gleichzeitig ist Humor häufig „gegen“ irgendeine Eigenschaft oder Personengruppe gerichtet. Für mich bedeutet das nicht in jedem Fall einen Angriff, sondern wie schon gesagt, die lockere Möglichkeit auch über ernste Themen zu sprechen.
„Funny girl“ bietet eine tolle Geschichte, die durch eine spannende Nebenhandlung noch wertvoll ergänzt wird. Vielleicht wirkt der Ehrenmord in der Handlung ein wenig zu klischeehaft und stellt die Kontraste der Kulturen zu platt heraus, die Auflösung dieser Geschichte ist ergreifend und rundet die Botschaft des Buches wunderbar ab.
Genau wie alle Charaktere im Buch gerade durch ihre Einzigartigkeit sympathisch wirken, ruft dieses Buch dazu auf die eigene Einzigartigkeit zu akzeptieren und zu nutzen. Trotz Konflikten für seine Ziele einzustehen und sich dabei gegenseitig mit Respekt zu begegnen.

Ich habe „Funny girl“ von der ersten bis zur letzten Seite genossen und habe sowohl die eingeschobenen Stand-up Comedy Texte, als auch die ernsteren Abschnitte mit Begeisterung verschlungen. Die Witze und Dialoge sind nicht immer politisch korrekt, die Botschaft aber wertvoll. Wer mit dieser Art von zum Teil derbem Humor ein Problem hat, sollte dieses Buch nicht lesen, alle anderen können eine spannende, kontrastreiche Geschichte genießen.