Rezension

Ein Plädoyer für Toleranz

funny girl - Anthony McCarten

funny girl
von Anthony McCarten

Handlungsort von Anthony McCartens neuem Roman „Funny Girl“ ist Green Lanes, ein Problemviertel im Nordosten von London, in dem die Bewohner aus allen Teilen der Welt kommen. Hier lebt Azime, eine junge Kurdin, deren Eltern wegen der Diskriminierungen ihrem Heimatland Türkei vor Jahrzehnten den Rücken gekehrt haben. Mittlerweile sind sie in London heimisch geworden und haben sich eine Existenz aufgebaut, konnten aber nie ihre religiösen und kulturellen Wurzeln abstreifen.

Aber Azime, geboren und aufgewachsen in dieser Multikulti-Stadt, ist eine moderne Frau, die mit den alten Traditionen nichts am Hut hat und alles daran setzt, sich von diesen Fesseln zu befreien. Das beginnt bereits damit, dass sie keine arrangierte Ehe eingehen sondern selbstbestimmt über ihre Zukunft entscheiden möchte, in der kein Platz für einen Mann ist, den ihre Mutter ausgesucht hat.

Zwei Ereignisse bestärken sie in ihrem Vorhaben: zum einen sind das die Terroranschläge in London 2005, zum anderen der Tod einer Freundin, die offenbar ihre Bestreben nach Selbstständigkeit mit dem Leben bezahlen musste. Als Azime per Zufall in einem Comedy-Kurs gerät, kommt dies für sie einem Befreiungsschlag gleich, denn sie sieht in diesem Bühnenleben die Möglichkeit, ihrem Leben eine neue Wendung zu geben. Aber damit fangen die Probleme für die junge Kurdin erst richtig an.

Wie bereits in den Vorgängerromane des in London lebenden neuseeländischen Autors Anthony McCarten wird eine Familie in den Grundfesten dadurch erschüttert, dass eines ihrer Mitglieder, in unserem Fall Azime, die traditionellen Werte in Frage stellt und für sich einen selbstbestimmten Weg jenseits ausgetretener Pfade sucht. Es werden zwar Gräben aufgerissen, aber die Geschichten, die McCarten erzählt, enden in der Regel versöhnlich, weil die Beteiligten im Verlauf einen Reifeprozess durchlaufen, der mit totaler Ablehnung beginnt, sich mit gegenseitiger Annäherung und Verständnis fortsetzt und mit dem Entwickeln von Toleranz und Versöhnung endet.

„Funny Girl“ ist ein Plädoyer für Individualität und für ein tolerantes, friedliches Miteinander in unseren mittlerweile multikulturellen Gesellschaften. Anspruchsvolle Unterhaltung, leicht verpackt – lesenswert!