Rezension

Humor und wilde Ideen hat er ja, aber....

Genau mein Beutelschema - Sebastian Lehmann

Genau mein Beutelschema
von Sebastian Lehmann

Bewertet mit 3 Sternen

"Mir ist Dein unbedruckter Stoffbeutel aufgefallen. So etwas habe ich noch nie gesehen. Woher kommt das?"

* * *

Da steht man als 31-jähriger Normalo in einem Club in Neukölln und wundert sich über das schlechte 90-iger Jahre Revival des DJ und noch mehr über all die ach so unkonventionellen Hipster, in ihren Röhrenjeans, ausgelatschten Stiefeln und Stoffbeuteln, - die sich mittlerweile jedoch nur noch durch die Wahl ihres Spruches auf der Tasche in ihrer Masse individualisieren können - und voll zu Scooters "How much is the fish" abgehen...

Ja, es ist schon nicht einfach, ohne Text auf seinem Beutel aber dafür mit einem Mate-Wodka in der Hand, ein fröhliches Gesicht zu den BSB aufzusetzen. So ergeht es Mark, der noch nicht ahnt, dass ihm grade dieser Umstand dazu verhilft, von der coolen Christina A. angequatscht zu werden, die er verdammt niedlich findet.

Und damit nimmt es seinen Lauf, sein Leben zwischen Hipstern, mit einer 10 Jahre jüngeren Freundin, die bereits eine Karriere bei Universal hat, wohingegen er immer noch in Tiergarten wohnt und sein Studium nur zum Kleinanzeigenberater geführt hat...

* * *

Ein Roman über Berlin-Neukölln, Hipster, MiddleAger und deren Selbstfindung bzw. Selbstreflektion, den ich erst einmal ein paar Tage lang selber reflektieren musste.

Denn Sebastian Lehmann hat mit seinem Beutelschema ein sehr interessantes Debut hingelegt, das mich leider noch nicht durchweg überzeugen konnte und das in mir dumpfe Erinnerungen an einen Benjamin von Stuckrad-Barre (2013 reloaded) hochkommen ließen (und mit dem hatte ich in den 90-igern schon so meine Probleme).

Allerdings haben mir der Schreibstil, der Humor und vor allem die wilden Ideen von Herrn Lehmann sehr gefallen und das hat den Roman lesenswert und unterhaltsam gemacht.

Nach einem richtig guten Start, verlor sich der Mittelteil ein wenig und zum Ende hin wurde noch einmal wild (und mit Sicherheit nicht nach jedermanns Geschmack) aufgedreht. Ob es zum Roman passte? Von der Aussage sicherlich, von der Umsetzung... das sei dahingestellt.

Die Protagonisten und auch die Nebenfiguren waren wunderbar aus dem Leben gegriffen und deshalb auch ziemlich klar definiert. Aber auch hier war ich leicht zwiegespalten, einerseits konnte ich super mit Mark mitfühlen und seine "Midlifecrisis" in vielen Punkten total nachvollziehen, dann aber wiederum war es mir einfach zu nüchtern (die Liebe), zu überzogen (sein Arbeitsalltag). Es passte vom Stil her nicht immer ganz zusammen, mal tiefsinnig und dafür dann andere Seiten viel zu überzogen.

Sprachlich toll, gar keine Frage, von den Ideen her klasse, meine Abzüge liegen da wohl eher in der B-Note, weil das "Intellektuellengeschwätz" mich teilweise genervt hat (wo wir wieder beim Barre wären) und das gleichmäßige Niveau noch nicht so ganz da war.

Und trotzdem ein Roman, der mich gut unterhalten hat und ein Autor, von dem ich gerne mehr lesen würde und von dem wir auch sicher noch einiges erwarten dürfen.