Rezension

Hurra, eine Glühbirne!

Dunkel - Lemony Snicket

Dunkel
von Lemony Snicket

Bewertet mit 3 Sternen

Ein Bilderbuch gegen die Angst vor der Dunkelheit ... schöne Idee. Aber die Umsetzung ist seltsam. Das beginnt schon mit der Atmosphäre, die extrem düster und unheimlich ist. Auf 18 Doppelseiten – hochwertig illustriert von Jon Klassen – sehen wir den kleinen Leo in seinem Zimmer, wie er spielt, während draußen die Sonne untergeht. Die Szenerie ist gegenständlich: Treppen und Schatten, das leere Bad, weitere Treppen, Türen, immer mehr Schatten und dann … völlige Dunkelheit, nur unterbrochen vom Lichtstrahl der Taschenlampe. Dann spricht plötzlich das Dunkel mit einer „glatten, kalten, knarrenden Stimme“ und fordert Leo auf, in den Keller zu gehen. Möchte man, dass Kinder unheimlichen Stimmen in den Keller folgen? Hier vermischt sich die Sachebene mit der Fantasie des Kindes auf eine ungute Weise.

Ich habe das Buch probehalber meiner Nachbarin und ihren zwei kleinen Kindern zum Lesen geben und siehe da: Beide Kinder mochten das Buch nicht und hatten hinterher mehr Angst als vorher. Im Grunde ist es ja toll, dass der Autor nicht den erwartbaren Weg geht und keine Monster oder andere Gruselwesen zeigt, in denen sich die kindliche Angst vor der Dunkelheit manifestiert. Die Dunkelheit ist bei ihm zunächst einfach die Abwesenheit von Licht. Sie ist da, wenn das andere geht und weicht dort zurück, wo ein Lichtstrahl hinfällt, in diesem Fall Theos Taschenlampenschein. 

Leider führt die Darstellung des Dunkels als lockendes, sprechendes Wesen diese Idee dann wieder ad absurdum. Auch die Auflösung am Ende überzeugt nicht: Das Dunkel führt Leo zu einer Kommode im Keller. Darin befindet sich eine Glühbirne und die macht Leos Zimmer hell. Aber warum muss Leo, um seine Angst zu verlieren nun unbedingt in den Keller gehen? Warum zum Teufel sind die Glühbirnen im Keller? Am dunkelsten Ort des Hauses. Bei einem Stromausfall wären sie in der Wohnung viel schneller greifbar. Warum überhaupt Glühbirnen? Nichts gegen Glühbirnen. Aber so richtig beeindruckt es nicht, wenn Elektrizität als Ausweg aus der Angst-Falle präsentiert wird.

Fazit: Ein Buch gegen die Angst vor der Dunkelheit. Der Ansatz, die Dunkelheit als Gegenspieler des Lichts zu zeigen, ist ebenso schlicht wie wahr. Die Umsetzung ist jedoch teilweise kontraproduktiv: Eine durchweg düstere, sachliche Optik und ein mit unheimlicher Stimme ausgestattetes Dunkel könnten sensiblen Kindern mehr Angst bescheren als nehmen. Und das Ende – das Auffinden einer Glühbirne – löst bei mir nicht ganz die tröstlichen Gefühle aus, die beabsichtigt sind.