Rezension

I need a gero!

Der gute Mensch von Düsteroda
von Andreas Kolb

 

Wahre Abgründe tun sich auf! Ein Pfarrer will, gewissermaßen als verlängerter Arm Gottes,  der Gerechtigkeit zum Sieg verhelfen und greift zu drastischen Methoden. Trotz seiner

Berufung in den geistlichen Stand frönt Samuel Pistorius einigen unchristlichen Lastern, die seinen Platz in der Reihe ehrenwerter und verdienstvoller Vorfahren gefährden: er flucht, trinkt, dealt …

Entsprechend gibt es da dunkle Gestalten, die noch eine Rechnung mit ihm zu begleichen haben, er muss sich handgreiflich seiner Haut wehren und gerät in den Sog makabrer, blutiger Ereignisse. Die Einwohner Düsterodas, eines beschaulichen kleinen Ortes im Thüringer Wald, verhalten sich dabei durchaus menschlich: die meisten schauen weg, einige Drahtzieher bleiben im Hintergrund. Als Günther Blech, einer ihrer Mitbewohner, ermordet aufgefunden und ein Zusammenhang zu den lebensgefährlichen Verletzungen einer Nutte in Eisenach hergestellt wird, rückt die Polizei in Düsteroda an. Dabei wird der Kripobeamte Brückner  mehr in die mörderischen Ereignisse  hineingezogen, als ihm lieb ist.

 

Der Buchtitel, in Anlehnung an Brechts Stück „Der gute Mensch von Sezuan“ , deutet an, in welchem Konflikt sich der Protagonist befindet: so wie in Brechts Werk die gute Haupfigur Shen Te in schwierigen Situationen in die Rolle des bösen Shui Ta schlüpft, spielt auch Pfarrer Pistorius eine Doppelrolle als guter Hirte und Racheengel. Aus dieser ungewöhnlichen Perspektive heraus erlebt der Leser, was in dem ungewöhnlichen Geistlichen vorgeht.

Auf den ersten Blick scheint Kolbs Buch in die Schublade „Krimi“ zu passen. Wie jedoch die Verse „Where have all the good men gone and where are all the gods?“ (aus dem Song „I need a hero“) , die als Motto am Anfang des Buches stehen, schon nahelegen, beabsichtigt der Autor mehr: hinter dem unorthodoxen Charakter seines Pfarrers verbirgt sich Kritik an gesellschaftlichen Strukturen, an der Moral von Politik oder Kirche.

Kolb, selbst im aktiven Kirchendienst tätig, provoziert, aber er versteht es, seine Kritik in bissig-humorvoller Form zu verpacken. Salopp geschrieben, immer wieder Seitenhiebe verteilend, manchmal satirisch absurd wirkend, zieht der Roman den Leser mit sich und lässt ihn zum Schluss nachdenklich mit den Versen zurück:

„I could swear that there´s someone somewhere watching me.“