Rezension

Ich bin so krank. Du musst kommen, Doktorfisch!

Ein Pflaster für den Zackenbarsch - Jens Rassmus

Ein Pflaster für den Zackenbarsch
von Jens Rassmus

Bewertet mit 5 Sternen

„Hallo?“, sagte der Doktorfisch müde. „Ich bin’s“, meldete sich eine tiefe Stimme. „Was gibt es, Wal?“, fragte der Doktorfisch. „Mir geht es schlecht.“ „Wieso?“ „Ich habe Bauchweh.“ „Ist es schlimm?“ „Ja.“ „Na gut“, seufzte der Doktorfisch, „wir kommen. Wo schwimmst du gerade rum?“ „Ich weiß nicht so genau. Irgendwo im Meer.“ „Aha.“ Der Doktorfisch überlegte einen Moment. „Sing mal was!“ „Singen? Ich? – Ich kann nicht singen.“ „Du bist ein Wal. Alle Wale können singen.“ „Aber nicht die, die Bauchschmerzen haben.“ „Versuch es einfach. Hauptsache, laut.“ Der Doktorfisch schaltete sein Muschelhandy aus und lauschte in die Weite des Ozeans. Schließlich vernahm er in der Ferne ein sehr trauriges und sehr langgezogenes Geräusch. Es klang, als würde jemand einen Öltanker zersägen. „Dass es ihm so schlecht geht, hätte ich nicht gedacht“, sagte der Kofferfisch.

Der Doktorfisch und sein Assistent, der Kofferfisch, haben alle Flossen voll zu tun. Ständig ist irgendwo irgendein Fisch krank und wie es sich für einen guten Arzt gehört, eilt dieser dann zu Hilfe. Bei seinen Patienten ist häufig Kreativität gefragt, denn Walbauchweh, eine verknotete Krakenfamilie oder ein trauriger Zackenbarsch fordern ganzen Einsatz.

 

Dieses Buch mit Vorlesegeschichten hat mir großen Spaß gemacht. Die Geschichten sind liebevoll und witzig, sprühen vor Einfallsreichtum und erfreuen damit sicher nicht nur den kleinen Zuhörer, sondern auch den erwachsenen Vorleser. Ein Punkt, der – wie ich finde – sehr wichtig ist, denn mal ehrlich: Ein guter Vorleser wird zu einem noch besseren, wenn ihm die Geschichte gefällt. Und umgekehrt sinkt leicht die Vorlesequalität, wenn einen das Buch langweilt. Ein Buch, das wie dieses hier auch den „Großen“ Spaß macht, hat gute Chancen, das neue gemeinsame Lieblingsbuch zu werden.

 

Die neun Geschichten haben unterschiedliche Länge, so dass man – je nach Kind und Situation – die Auswahl hat, ob es drei oder neun Seiten Text sein sollen. Zu den Geschichten gibt es wunderschöne Bilder, liebevoll gezeichnet und in fröhlichen bunten Farben. Besonders gefiel mir, dass Details aus den Texten auf den Bildern entdeckt werden können. Bei der Krakenfamilie hat zum Beispiel jedes Familienmitglied ein verschiedenfarbiges Hütchen auf dem Kopf. So kann man gemeinsam suchen: Wo ist Tante Flutsch mit dem blauen Hütchen? Und wo Onkel Plopp mit dem rosafarbenen? Und wer entdeckt denn das Muschelhandy auf dem Bild? Die Gesichtsausdrücke sämtlicher Wasserbewohner zeigen deutlich erkennbar ihre Gefühle und der Doktorfisch hat natürlich eine Brille auf der – äh – Nase.

 

Kleine Zuhörer haben meist einen Riesenspaß, wenn in der Geschichte die Kleinen über die Großen triumphieren oder klüger sind. Wenn also beispielsweise die kleinen Fische den Hai austricksen oder die Krakenkinder den Papa beruhigen können. Denn: Was gibt es bei der Krakenfamilie an Silvester zu essen? Na?

„Raclette? – Das ist aber ein bisschen gefährlich mit den heißen Pfännchen. Ihr könntet euch die Saugnäpfe verbrennen!“ „Wir sind doch unter Wasser! Keine Angst, Papa. Da passiert schon nichts.“

 

Mein heimlicher Liebling war der Kofferfisch! Dieser kleine Fisch mit dem blauen Kreuz auf der Seite hat viel mit dem Pelikan Pelle aus den Petzi-Geschichten gemein: Nämlich viel Stauraum! (Wer jemals etwas von Petzi und Pelle gelesen hat, erinnert sich: „Mit einer Leiter aus Pelles Schnabel…“) Der Kofferfisch schleppt alles mit sich rum, was der Doktorfisch zur Versorgung seiner Patienten braucht: Schere, Pflaster, das Muschelhandy… Und manchmal hat er eine herrlich trockene Art:

„Hast du etwa Bauchschmerzen?“ „Ja, das stimmt! Woher weißt du das?“ „Er ist Arzt“, sagte der Kofferfisch.

 

Fazit: Supersüß und fröhlich – ein neues Lieblingsbuch für die Familie.