Rezension

Ich bringe Dich von hier fort!

Das Mädchen, das den Himmel berührte - Luca DiFulvio

Das Mädchen, das den Himmel berührte
von Luca DiFulvio

Bewertet mit 4.5 Sternen

Ein tolles Gemälde des Venedigs zu Beginn des 16. Jahrhunderts.

„Ich bringe Dich von hier fort!“ Diesen Satz brüllt ein verzweifelter Junge namens Mercurio hinter einem verschlossenen Tor – gerade wurde seine große Liebe Giuditta wie an jedem Abend in dem eigens für Juden errichteten Ghetto in Venedig eingeschlossen. Er selbst ist Christ, schon allein daher ist eine Beziehung zwischen den beiden eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit. Aber Mercurio hat es auch so nicht leicht, ist er schließlich im Waisenhaus aufgewachsen und schlägt sich nun mit Betrügereien durchs Leben. Aber für seine große Liebe ist er bereit, sein ganzes Leben zu ändern – wenn man ihm denn nur eine Chance dazu geben würde!

Dieses Buch ist ein tolles Gemälde des Venedigs zu Beginn des 16. Jahrhunderts. Prima geschrieben, ich konnte alles richtig vor mir sehen, das Leben, die Menschen, die Paläste, die Armut… Manche Beschreibungen waren so intensiv, dass ich dachte, die Gerüche wahrzunehmen. Sehr, sehr stimmungsvoll!

Und tolle Charaktere! Es geht ja bei weitem nicht nur um Mercurio und Giuditta. Sie gelten zwar als die Hauptakteure, aber beinah genau so viel Zeit wird den übrigen Personen gewidmet. Auf 972 Seiten bleibt auch genug Zeit dafür.

Ich kann und will nicht alle aufzählen, aber es sind die unterschiedlichsten Menschen, die wir durch dieses Buch begleiten. Sie haben verschiedene Hintergründe und Herkünfte, sind arm oder reich, Gauner, Geistliche, Soldaten, Huren, Christen, Juden oder Straßenkinder. Jeder von ihnen hat sein Schicksal, in das er hineingeboren wurde und mit dem er lebt – oder es vielleicht ändert? Wer weiß?

Besonders gefallen hat mir in dem Zusammenhang auch, dass fast jeder Charakter so vielfältig angelegt war, dass man selten klar und ständig sagen konnte „Das ist ein Guter, das ist ein Fiesling.“ Auch die vermeintlich negativ angelegten Charaktere hatten ihre guten Seiten und Punkte in ihrer Vergangenheit, die bei mir Verständnis aufkommen ließen. Das mag ich sehr, es macht alle so viel menschlicher!

Das Buch war sehr flüssig und gut zu lesen. Da es um die Schicksale so vieler Menschen ging, kamen auch keine Längen auf. Wie es sich für diese Zeit anbietet, wird natürlich auch das Thema Inquisition thematisiert. Daneben geht es um Prostitution, Homosexualität und - für mich auch besonders interessant - die Medizin in dieser Zeit, und wie sie durch die damaligen Moralansichten beeinflusst wurde.

Im Anhang gibt es noch vier Seiten Anmerkungen des Autors, in denen er seine Kindheit in Venedig beschreibt, die ihn in vielerlei Hinsicht inspiriert hat. Unter anderem auch in Bezug auf die Liebesgeschichte in diesem Buch – sehr romantisch.

Vielen Dank allen Mädels der Leserunde: Es hat wieder viel Spaß gemacht mit euch! :-)