Rezension

Ich weiß, warum ich keine Pilze mag!

Anatomie einer Absicht - Ana Bilic

Anatomie einer Absicht
von Ana Bilic

"Und heute bringe ich ihn um ..." Ja, wer hat nicht schon einmal diesen Gedanken gehabt, hat innerlich Mordpläne geschmiedet. Pläne, die so eiskalt und kaltblütig waren, dass man vor sich selber erschrocken ist. Die aber ganz tief in deinem Unterbewusstsein einen innerlichen Freudenschrei ausgelöst haben und dich deiner Freiheit ein Stückchen näher haben kommen lassen...
Vielleicht wäre das Ziel des Angriffs der eigene Chef gewesen, unter Umständen der langjährige, feste Freund oder eine scheinbar gute Freundin, vielleicht auch einfach ein Fremder, der lediglich zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen ist und sich unbeliebt gemacht hat ... oder vielleicht doch dein Ehemann? Eben diese Gedanken trägt Lidia in sich. Ehefrau eines Steuerberaters, 14 Jahre lang mit diesem verheiratet und kinderlos. Beide trennt ein Altersunterschied von 20 Jahren und insgeheim noch vieles mehr. Vielleicht ist auch das der Auslöser? Nein, Lidia schaut hinter die Fassade ihres Ehemannes, des erfolgreichen Steuerberaters und entdeckt dort sein wahres Ich: den manipulierenden und bestimmenden Ehemann, der sie Jahr für Jahr unterjocht hat und klein hält. Doch eines Tages ist damit Schluss. Und Lidia beschließt das zu tun, was am besten für sie ist: sie plant den Tod ihres Mannes. 
Ganz in der Manier von " Lamb to the Slaughter" von Roald Dahl will sich auch diese Frau endlich zur Wehr setzen und wählt als Mittel zum Zweck die Leibspeise ihres Mannes: Pilze.

" Und heute Morgen sagte ich ihm:
„Helmut, am Abend kriegst du deine feinen Pilze …“
– Er lächelte glücklich wie ein Kind. " ...

und sollte nicht wissen, was ihn dort erwartete ... doch das Schicksal kommt ihr zuvor. 
Lidia ist eine geschlagene Frau. Geschlagen nicht im wörtlichen Sinne, sondern im übertragenen Sinne. Sie hat ihre Heimat (Tschechien) und ihre geliebte Familie verlassen, um in Wien ein glückliches Leben mit einem reichen Mann zu verbringen. Doch mehr als Geld, kann dieser ihr nicht schenken, der Kinderwunsch bleibt ein unerfüllter Wunsch. Die Protagonistin Lidia offenbart schon in den ersten Sätzen ihr Vorhaben. Wer jetzt allerdings meint, dass es langweilig sei, wenn man direkt zu Beginn der Geschichte weiß, was geplant ist, der irrt! Die Autorin weiß, wie man den Leser an die Geschichte fesseln kann. Ist das Buch auch recht dünn (beinhaltet es ja nur 160 Seiten), so vermag sie es doch mit ihrer bildhaften Sprache die Psyche der Protagonistin zu offenbaren. Lidia kehrt für den Leser ihr Innerstes nach außen, teilt ihre Gedanken mit und vertraut dem (allwissenden) Leser an, was sie zu dieser Tat verleitet. Im zweiten Teil lernt der Leser die Sichtweise des Ehemannes kennen. Ist er vielleicht doch nicht so ein Scheusal, wie Lidia ihn darstellt? Viel Zeit, ihn kennen zu lernen bleibt allerdings nicht, denn er segnet ziemlich schnell das Zeitliche. 

Die Geschichte als solche hat mir von Beginn bis zum Schluss sehr gut gefallen! Die Figur der Lidia wird - trotz ihres Planes - als Opfer dargestellt. Man sympathisiert direkt mit ihr! Ihr Ehemann hingegen hat auch bei mir direkt verspielt. Im Grunde genommen habe ich Lidia in ihrem Vorhaben angefeuert und wurde auch nicht enttäuscht - das Schicksal findet nun mal seinen Weg.

Der Roman ist kein "normaler" Kriminalroman, im Gegenteil, der Leser wird Teil der Geschichte, wird Mitwisser und - vielleicht sogar - Mittäter? Letzten Endes ist es aber die Gerechtigkeit, die siegt.