Rezension

Ich will mehr von Alessa lesen

Das blaue Medaillon - Martha Sophie Marcus

Das blaue Medaillon
von Martha Sophie Marcus

Bewertet mit 4 Sternen

Martha Sophie Marcus versteht ihr Handwerk. Obwohl dies der erste historische Roman ist, den ich von ihr lese, haben wenige Zeilen ausgereicht, um mich von ihrem Schreibstil zu überzeugen. Sie benutzt der Zeit angemessenes Vokabular, ohne dass es einem an die heutige Zeit gewöhnten Leser negativ auffällt, im Gegenteil, es trägt zum Charme ihrer Bücher bei.

Ein realistisches, farbenfrohes Gemälde der Zeit
Nach einem turbulenten Auftakt begleiten wir die Hauptfigur Alessa auf einer Reise nach Celle, dich mich persönlich lebhaft an eines meiner ersten großen Rollenspiel-Abenteuer erinnert hat, in welchem ich undercover mit der Gauklertruppe Saltatio Mortis in die Dunkellande gereist bin, um dort heimlich am Hofe Nachforschungen anzustellen. Die Auftritte der Schauspieltruppe sind lebhaft beschrieben, man sieht die Harlekins förmlich vor sich durch die Luft wirbeln. Immer wieder wird das Schauspiel zum Mittelpunkt der Handlung, und immer wieder unterhält uns die Autorin damit auf fantastische Weise.
Auch am Hofe selbst, wo man vielleicht höherwertiges Theater kennt, kommt die Truppe gut an. Es ist schon zu sehen, wie erwachsene, adelige Menschen sich im Angesicht von heiterer, alberner Unterhaltung gehen lassen können. Die Anziehungskraft von einfachen Schauspielern ist mit den Händen zu greifen. Generell ist die Darstellung der höfischen Personen ebenso gelungen wie die von Alessa und ihrer Truppe. Dass wir es hier mit echten historischen Persönlichkeiten zu tun haben, deren Ränkespiele in der Realität ganz ähnlich abgelaufen sind, trägt dazu bei, dass der Roman authentisch und realistisch wirkt.

Spannende, lebensnah wirkende Charaktere
Alessa ist eine sympathische Heldin, auch wenn sie manchmal ein wenig zu überlegen wirkt. Sie spricht mehrere Sprachen, ist eine Meisterdiebin und klug genug, in den codierten Konversationen der Adeligen nicht unterzugehen. Ein klein wenig mehr Schwäche hätte ihr vielleicht gut getan, dennoch ist sie gerade so nicht zu einer Mary Sue geworden und man sorgt sich bisweilen doch um ihr Wohlergehen.
Dass sie einen Love-Interest bekommt, hat mich persönlich überrascht, doch es passte zu der Geschichte und die Romanze hat glücklicherweise den eigentlichen Plot nicht überschattet. Stattdessen hat die Liebe für beide Seiten eine angenehme Komplikation hinzugefügt, und den großen Gegenspieler von Alessa menschlich wirken lassen. Auch dieser Mann ist nahe an der Perfektion, er ist von einfacher Geburt, aber dennoch gebildet und im höchsten Maße loyal gegenüber dem Herzog. In Rollenspielterminologie wäre er wohl rechtschaffend-gut, doch glücklicherweise hat er das Herz am rechten Fleck, so dass er kein blinder Gesetzesdiener ist.
Eine der interessantesten Figuren ist der Auftragsmörder, vor dem Alessa flieht. Einige Szenen werden aus seiner Sicht geschildert und hier lernen wir einen Menschen kennen, der generell eiskalt, kalkulierend und intelligent ist, aber genauso schnell auch von heißem, loderndem Hass verschlungen werden kann. Es ist wirklich schade, dass wir nicht mehr von diesem Mann erfahren. Generell habe ich mir am Ende des Buches gewünscht, dass es sich um den Auftakt einer Reihe handelt, denn so viele Charaktere haben das Potential, ihre eigene Geschichte erzählen zu können. Gerne würde ich lesen, wie aus dem Mann Mezzanotte der berüchtigte Auftragsmörder wurde.

Fazit:
Der historische Roman "Das blaue Medaillon" von Martha Sophie Marcus überzeugt mit einem angenehmen Schreibstil und spannenden Charakteren. Die Geschichte um Alessa, die alles versucht, um ihr Medaillon zu beschützen, ist rasant und in den bunten Bildern einer Schauspieler-Truppe erzählt. Die historischen Umstände werden realitätsnah erzählt, ohne den Leser zu langweilen. Ein wenig übertrieben wirkt manchmal das Können der Hauptperson, doch abgesehen davon ist dieser Roman eine runde Sache.